Es sind auch schwere Unfälle wie dieser, zu denen die Mitglieder des Kriseninterventionsteams des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Freiburg gerufen werden: Am vergangenen Samstagabend fährt in Freiburg ein Auto mit einer siebenköpfigen Familie auf einen parkenden Lkw und gerät unmittelbar in Brand. Drei Menschen kommen ums Leben, darunter zwei Kinder.
Die beiden Lkw-Fahrer, die zu dem Zeitpunkt im Lastwagen sitzen, bleiben unverletzt. Zusammen mit anderen Verkehrsteilnehmern, die an diesem Abend auf dem Parkplatz neben der Bundesstraße stehen, holen sie alle sieben Familienmitglieder aus dem brennenden Auto.
Am Montag, den 5. Mai 2025, berichtete SWR Aktuell über den schweren Unfall:
Neben Dutzenden Einsatzkräften sind an diesem Samstag auch vier Mitglieder des Kriseninterventionsteams vom DRK vor Ort. Ihre Aufgabe: Erste Hilfe für die Seele.
Was macht ein Kriseninterventionsteam?
Wann werden Kriseninterventionsteams gerufen?
Wie kann man beim Kriseninterventionsteam mitarbeiten?
Warum gibt es Kriseninterventionsteams?
Wie können sich Ersthelfer schützen?
Was macht ein Kriseninterventionsteam?
Am Wichtigsten sei es, den Menschen das Gefühl zu geben: Sie sind nicht allein. "Wir begleiten Sie da durch und sind jetzt bei Ihnen", sagt Sandra Bergmann. Sie hat den Einsatz des Kriseninterventionsteams (KIT) am Samstag koordiniert. Seit 27 Jahren ist sie schon ehrenamtliche Krisenhelferin. Heute leitet die 47-Jährige das KIT Freiburg.
Wenn ein Mensch einen nahen Angehörigen ganz plötzlich verliert oder mit einer Katastrophe konfrontiert ist, dann ist das Allerwichtigste erstmal, dass er das Gefühl bekommt: Ich kann das überleben.
Die Aufgabe des KIT ist es, Beistand für Betroffene in Not- und Unglücksfällen zu leisten. Die KIT-Mitglieder kümmern sich um die seelischen Wunden von Menschen. Die meisten Einsätze seien im häuslichen Bereich, aber auch zu schweren Unfällen wie am Samstag werden die Krisenhelferinnen und -helfer immer wieder gerufen, sagt Bergmann: "Da schauen wir, dass wir erstmal einen Überblick über die Situation bekommen, also: Was ist passiert? Wer braucht Unterstützung? Und: Was brauchen diese Personen?"
Der Fokus unserer Arbeit ist darauf: Was braucht mein Gegenüber. Also: Wie kann ich ganz Ohr sein, wie kann ich Bedürfnisse wahrnehmen, wie kann ich auch mich selbst zurückstellen, um einfach ganz offen zu sein.
Denn die Bedürfnisse von Menschen in Krisensituationen seien ganz individuell, erklärt Bergmann: Manche Menschen wollen reden, andere brauchen jemandem zum Zuhören, zum Schweigen und miteinander Aushalten, andere wollen organisatorische Dinge klären oder haben Fragen zur Sache. Das sei ganz verschieden.

Bergmann und ihre Kolleginnen und Kollegen betreuen so lange, bis die Betroffenen wieder handlungsfähig sind und die Helferinnen und Helfer den Eindruck haben, dass das soziale Netz der Betroffenen greift. "Das kann eine Stunde sein, das können aber auch fünf Stunden sein", so Bergmann.
Wann werden Kriseninterventionsteams gerufen?
Sandra Bergmann erklärt, das KIT könne nur von Einsatzkräften alarmiert werden. Immer dann, wenn diese bei Notfallbetroffenen einen psychosozialen Unterstützungsbedarf feststellen. "Zum Beispiel bei einem Notarzteinsatz, weil eine Frau ihren Mann tot im Bad aufgefunden hat. Oder bei einem schweren Verkehrsunfall und es sind entweder unverletzte Betroffene zu betreuen oder Augenzeugen und Ersthelfer", schildert Bergmann. Aber auch dann, wenn die Polizei eine Todesnachricht überbringt, kann sie das KIT dazurufen.
Wie kann man beim Kriseninterventionsteam mitarbeiten?
Beim KIT des DRK Freiburg arbeiten alle 21 Helferinnen und Helfer ehrenamtlich. Sandra Bergmann ist hauptberuflich Sozialarbeiterin in einem Zentrum für Psychatrie in einer Kriseninterventionsstation. Aber eigentlich spiele es keine Rolle aus welcher beruflichen Richtung man komme, so Bergmann. Es seien keine Vorkenntnisse erforderlich.
Für Krisenhelferinnen und -helfer gibt es eine vom DRK bundesweit einheitliche Ausbildung. Diese umfasse 100 Unterrichtseinheiten, so Bergmann: "Da lernt man grundlegende Dinge wie: Was ist Stress, Krise, Trauma? Es gibt auch einen starken Praxisbezug, wo es darum geht: Welche Fähigkeiten brauche ich, auf was muss ich achten, wie kann ich Bedürfnisse wahrnehmen und mich selbst zurückstellen?" Die Ausbildung schließt mit einer Prüfung ab. Danach geht es mit regelmäßigen Fortbildungen und Supervisionen weiter. Das erfordert einiges an Engagement, zu dem nicht jeder oder jede bereit ist. Vor allem, wenn es darum geht, in der Freizeit alles stehen und liegen zu lassen, wenn der Alarm kommt.
Es gibt ganz viele Leute, die sich melden und interessiert sind, aber die sich gar nicht in der Lage sehen, wenn der Alarm geht, den Einsatz zu übernehmen.
Voraussetzungen dafür, Kriseninterventionshelferin oder -helfer beim Team in Freiburg zu werden, ist, zwischen 23 und 65 Jahre alt zu sein. Außerdem müsse man ausreichend empathisch und bereit sein, sich auf Krisensituationen einzulassen, so Bergmann. Aber ganz entscheidend sei auch die Bereitschaft zu diesem Engagement. Das könne schon auch unkomfortabel sein, sagt Bergmann: "Ich war kürzlich bei Freunden zum Essen eingeladen, dann kam der Alarm. Dann habe ich halt tschüss gesagt und bin gegangen." Laut Bergmann verfügen immer weniger Menschen über diese Einsatzbereitschaft: "Die wollen sich zwar schon engagieren, aber es darf nicht von der eigenen Komfortzone abweichen."

Warum gibt es Kriseninterventionsteams?
Das erste Kriseninterventionsteam weltweit wurde 1994 in München im Arbeiter-Samariter-Bund gegründet. Weitere KIT kamen nach und nach in Folge von verschiedenen schwerwiegenden Unglücken dazu. Ein großer Auslöser sei der Zugunfall von Eschede 1998 gewesen, als ein ICE entgleiste und 101 Menschen starben, sagt Sandra Bergmann. Auch das KIT des DRK in Freiburg wurde in diesem Jahr gegründet.
Bei Notfällen ist für körperliche Verletzung in unserem Gesundheitssystem bestens gesorgt. Aber es gibt auch seelische Wunden, die nicht so offensichtlich sind. Da sieht man kein Blut oder schräg stehendes Körperteil.
Bei Notfällen sei in Deutschland für körperliche Verletzungen bestens gesorgt, sagt Bergmann. Aber es gebe auch seelische Wunden, die nicht so offensichtlich seien. Genau dafür seien sie und ihr Team da.
Siebenköpfige Familie in fünfsitzigem Wagen Ermittlungen zu tödlichem Unfall in Freiburg: Zu viele Menschen im Auto
Es saßen zu viele Menschen in dem Auto, das auf einem Parkplatz neben der B3 in Freiburg verunglückte und ausbrannte. Das weiß die Polizei inzwischen. Drei Menschen starben.
Wie können sich Ersthelfer schützen?
Bei dem schweren Unfall in Freiburg am vergangenen Samstag haben die beiden Lkw-Fahrer zusammen mit anderen Verkehrsteilnehmern die Familie aus dem brennenden Auto gerettet. Auch für sie waren Sandra Bergmann und ihr Team da. Sie sagt, es gibt Dinge, die Ersthelfer tun können, um sich seelisch zu schützen.
Vorbereitet sein ist der beste Schutz.
Der erste Tipp, den Bergmann gibt, ist, vorbereitet zu sein. Also einen Erste Hilfe Kurs gemacht zu haben und, wenn das schon lange her ist, ihn zu wiederholen. "In dem Moment, wo ich vorbereitet bin und eine Idee habe, wie ich vorgehen muss, wo ich weiß, wie ist die Notrufnummer, wo ich weiß, wenn eine Person bewusstlos ist, muss ich sie in die stabile Seitenlage bringen, ist das schon für mich als Ersthelfer ein Schutz", sagt Bergmann. Wichtig sei es, handlungsfähig zu sein und sich aktiv nützlich zu machen.
Wenn nicht mehr geholfen werden kann, zum Beispiel, weil ein Mensch zu schwer verletzt oder tot ist, dann könne es auch hilfreich sein, sich von dem Geschehen räumlich zu distanzieren. Also nicht stehen zu bleiben und sich alles anzuschauen, so Bergmann: "Weil alles, was ich mir einsammle an Bildern, an Geräuschen, an Gerüchen, ist ja auch alles, was das Gehirn wahrnimmt und verarbeiten muss."