Straßensperrung der Polizei bei Efringen-Kirchen: In der Nähe hatte ein sogenannter Reichsbürger einen Polizisten bei einer Kontrolle frontal umgefahren. (Foto: SWR)

Bei Routine-Kontrolle in Efringen-Kirchen

Sogenannter Reichsbürger fährt Polizisten um: Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen

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Ein sogenannter Reichsbürger hat in Efringen-Kirchen einen Polizisten bei einer Kontrolle frontal umgefahren. Das LKA ermittelt wegen versuchten Mordes.

Bei einer Routine-Verkehrskontrolle in Efringen-Kirchen (Landkreis Lörrach) war Montag- auf Dienstagnacht der Polizei ein Autofahrer wegen deutlich erhöhter Geschwindigkeit aufgefallen, die eine Trunkenheit des Fahrers vermuten ließ. Dieser entzog sich mehrfach der Kontrolle der Beamten durch Flucht. Als er gestoppt werden konnte, fuhr er einen der Polizeibeamten frontal um, er selbst wurde durch Schüsse verletzt und festgenommen. Zu diesem Vorfall haben die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt am Mittwochnachmittag bei einer Pressekonferenz Einzelheiten bekannt gegeben.

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Versuchter Mord wegen Verschleierung einer Straftat

Zunächst sprach der Freiburger Polizeipräsident, Franz Semling. Er schilderte den Polizei-Einsatz im Zusammenhang der Routine-Kontrolle bei Efringen-Kirchen und bestätigte die bisher bekannten Einzelheiten. Auf deren Hintergrund ermittelt das Polizeipräsidium Freiburg und das LKA Stuttgart nun wegen versuchten Mordes. Es sei zu vermuten, dass der Mann durch die mehrfache Flucht seine Trunkenheitsfahrt und damit eine Straftat verschleiern wollte.

Gewaltbereitschaft gegen Polizei eindeutig festgestellt

Neben entsprechenden Flugblättern in seinem Auto habe die Polizei auch bei der Durchsuchung der Wohnung des festgenommenen Mannes eindeutige Hinweise ermittelt, die dem 61-Jährigen Verbindungen zu den sogenannten Reichsbürgern bescheinigen. Bereits mit einem Schild an seiner Haustür etwa demonstriere er seine Gewaltbereitschaft gegen die Polizei, so Staatsanwalt Tomas Orschitt, die der bekannten Haltung und Gesinnung der Reichsbürger-Szene entspräche. Außer einer Armbrust seien keine Schusswaffen gefunden worden, allerdings diverse andere Beweisstücke und Datenträger, die jetzt polizeilich ausgewertet werden, ergänzte der Polizeipräsident. Der festgenommene Mann selber schweige bislang.

Zusammenhang zwischen Gesinnung und Tat wird geprüft

Der Mann ist der Polizei bereits einschlägig wegen politisch hintergründiger Taten bekannt. Von Anfang bis Mitte des Jahres 2021 fiel er durch entsprechende Beleidigungen politischen Inhalts auf, im Zusammenhang mit Polizeikontrollen zur Einhaltung von Corona-Maßnahmen. In diesem Zusammenhang war er angeklagt und in einem Fall zu einer Geldstrafe verurteilt worden - ein anderer Fall sei gerichtlich noch anhängig.

Ein konkreter Zusammenhang der Gesinnung des 61-Jährigen zur aktuellen Tat werde jetzt geprüft - ein solcher kausaler Zusammenhang sei zunächst nicht gesichert, aber auch nicht auszuschließen, fasste der Leitende Oberstaatsanwalt Tomas Orschitt aus Lörrach zusammen.

Sonderkommission des LKA ermittelt interdisziplinär

Dies sei auch der Grund für das Landeskriminalamt, unmittelbar in die Ermittlungen einzusteigen, sagte der LKA-Präsident Andreas Stenger. Eine 21-köpfige Sonderkommission ermittle in allen Delikten jetzt interdisziplinär. So werde der Tathergang mit 3D-Technik rekonstruiert und die Forensik recherchiere auf breiter Linie. Umfassende Ergebnisse stünden zum jetzigen frühen Zeitpunkt zwar noch aus, Ziel der LKA-Ermittler sei es aber, die Motivlage schnellstmöglich festzustellen.

Tat von Efringen-Kirchen wurde in sozialen Netzen gefeiert

Polizeipräsident Semling ging schließlich auf die Tatsache ein, dass sich Vorgänge und Personen, die in Uniformierten ein Feindbild sehen, deutlich vermehren. Gewalttaten in diesem Zusammenhang lägen statistisch gesehen derzeit auf einem Fünf-Jahres-Hoch. Er hob hervor, es gebe keinerlei Verständnis für körperliche Gewalt gegen Polizeibeamte, vielmehr werde sie objektiv und konsequent verfolgt.

Teil der aktuellen Ermittlungen sei deshalb auch, dass in einschlägigen sozialen Netzwerken die Tat von Efringen-Kirchen gefeiert wurde. Semling zitierte Parolen wie "Schlagt ihre Buden mit Abrissbirnen ein, zermalmt ihre Dienstfahrzeuge" und appellierte daran, die emotionalen Auswirkungen auf die Beamten nicht zu vergessen. Auch wenn sie vor Fehlern nicht gefeit sind, verdienen sie das Vertrauen der Menschen, für die sie in ihren Einsatz-Regionen routiniert und professionell arbeiten.

Strobl: Angriff auf freiheitlich-demokratische Grundordnung

Der stellvertretende Ministerpräsident und baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte zum aktuellen Ermittlungsverfahren gegen einen sogenannten Reichsbürger wegen des Verdachts der versuchten Tötung eines Polizeibeamten in Efringen-Kirchen in einer Mitteilung:

"Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten werden wir niemals tolerieren. Ein Angriff auf diejenigen, die täglich unser Leben schützen, ist ein Angriff auf uns alle."

Erfolge ein derartiger Angriff gar aus politischen Gründen, sei er "ein Angriff auf unsere freiheitlich demokratische Grundordnung und die Werte, die uns verbinden", so Strobl weiter. Hinter jeder Uniform stecke ein Mensch. "Ich wünsche dem Polizeibeamten eine schnelle und vollständige Genesung. Meine Gedanken sind bei ihm und seiner Familie."

Diese Tat zeige, "dass wir im Kampf gegen den Extremismus nicht nachlassen dürfen." Denn sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter, Verschwörungsideologen sowie Rechtsextremisten hätten eines gemeinsam: "Sie tun alles, um das Vertrauen in den Staat zu beschädigen und greifen den Staat und seine Repräsentanten im schlimmsten Fall auch direkt an – in diesem Fall einen Polizisten, der für uns alle steht."

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SWR