Ministerialdirigentin Claudia Rose steht zwischen Trachtenträgerinnen und Trachtenträgerin im Kurpark von Bernau und überreicht der strahlend lächelnden grauhaarigen Konstanzer Künstlerin Ulrike Ottinger die Urkunde. Es werde höchste Zeit, dass die außergewöhnliche Künstlerin nun auch in ihrem Heimatland die Würdigung erhalte, die sie verdiene, so Rose in ihrer Ansprache: "Frau Ottinger ist eine der einflussreichsten und vielseitigsten Künstlerin der letzten Jahrzehnte. Ihr künstlerisches Schaffen ist außerordentlich reich. Fotografie, Malerei und Skulptur, Theaterregie, Hörspiele, Opern, Drehbücher, Spielfilme, Dokumentarfilme - und ich vermute die Liste ist nicht vollständig."
Die Konstanzer Künstlerin ist eine der wenigen Frauen, die den Hans Thoma-Preis erhalten haben. Und es ist erstmals ein Preis im Genre "Film und Fotografie". Ulrike Ottingers unkonventioneller und unverwechselbarer Stil habe die Jury überzeugt, heißt es in der Laudatio. Ottinger war in den entlegensten Winkeln der Welt. In Bernau sagte sie über sich: "Was ist für mich typisch? Meine Neugierde und mein großes Interesse an Menschen. Und das ist die Basis all meiner Arbeit. Ich bin bei all meinen Reisen immer auf die Menschen zugegangen. Wenn die Leute spüren, dass man sich wirklich für sie interessiert, dann erzählen sie auch etwas und zeigen was von sich. Und das finde ich spannend."
Mit 79 Jahren ist die Weltreisende und Sammerlin in Bernau im Schwarzwald gelandet und auch da passt sie hin. Eine Feder, die sie auf dem Weg zur Preisverleihung gefunden hat, lässt sie die ganze Zeit über nicht mehr los. Auch nicht als sie im Dachgeschoss des Hans Thoma-Museums ihre neue Ausstellung eröffnet: "Mongolei, Mexico, Europa" - so der Titel. Es sind Fundstücke, Karten, Exponate und Bilder ihrer Reisen. 50 Jahre Arbeit im Überblick. Auch eine Bernauer Leihgabe ist dabei. Es ist ein Kuhkopf, der zusammen mit einem mächtigen Stierkopf über einem Tipi angebracht ist. Den Kopf habe sie von einem Landwirt bekommen, erzählt die Künstlerin: "Er hat mir das geliehen und hat gesagt: Ich muss es aber wieder haben. Er hing an seiner Kuh, die Veilchen hieß. Das hat mich an die Mongolen erinnert, die eine sehr innige Beziehung zu ihren Tieren haben und allen Tieren einen Namen geben. Das ist sehr schön."
Egal wo sie ist: Ulrike Ottinger hat Neugier im Gepäck
Für die 79-Jährige macht es offenbar keinen großen Unterschied, ob sie gerade in New York, Paris, Berlin oder Bernau ausstellt. Ihre ehrliche Neugier hat sie überall im Gepäck. Über den Hans Thoma-Preis habe sie sich gefreut. Auch wenn sie erstmal genauer nachsehen müsste, wer dieser 1839 geborene Künstler überhaupt ist.
"Hans Thoma ist ja ein sehr guter Landschaftsmaler und er kann nichts dafür, dass er der Lieblingsmaler des Führers geworden ist. Das war ja nach seinem Tod. Aber er hat sich die Landschaften hier, die ja wunderschön sind, sehr genau angeschaut - auch die Menschen."