Sie haben zu den ersten Geflüchteten gehört, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind: Als die ukrainische Hauptstadt schon unter Beschuss stand, flohen die 157 Kinder und die Betreuerinnen und Betreuer mit vier Bussen Richtung polnische Grenze. Ihr Ziel: Freiburg im Breisgau.
Das Erlebte verdrängen
Der Heimleiter Roman Kornijko läuft auf dem Gehweg Richtung Spielplatz. An jeder Hand hält sich ein Kind fest. Gemeinsam üben sie deutsche Vokabeln: "Guten Tag" und "Bitteschön" sagt eines der Mädchen und lacht. Die Jüngeren hätten das Erlebte mittlerweile verdrängt, erzählt Roman Kornijko. Sie fühlen sich in Freiburg sicher, entdecken ihre Umgebung. Lieblings-Spielgeräte auf dem nahegelegenen Spielplatz haben sie auch schon gefunden.
Struktur und Halt durch streng getakteten Alltag
Auch die 18-jährige Lena hat sich langsam an den neuen Alltag gewöhnt. Ihre Tage sind, wie die der anderen Kinder und Jugendlichen, streng getaktet: Sie steht früh auf, isst gemeinsam mit den anderen, lernt Deutsch. Die klare Struktur soll ihr und den anderen Jugendlichen Halt geben und dabei helfen, nach den Wirren des Krieges ein Stück weit Normalität zu empfinden.
“Es ist für uns jetzt einfacher: Wir wissen genau, was als Nächstes passiert. Und wir können uns hier mittlerweile auch orientieren. Das hilft uns.”
Doch das, was in der Ukraine passiert, kann und will die 18-Jährige nicht vergessen. Immer wieder greift sie zum Handy in ihrer Tasche. Sie scrolled durch den Newsfeed, schaut, welche Neuigkeiten es aus ihrer Heimat gibt. Es sind selten gute.
„Es ist sehr hart, die Bilder aus der Ukraine zu sehen. Es wird einem klar, dass man alles nie mehr so sehen wird, wie es einmal war. Alles ist zerstört.“
Und der Krieg sei auch hier präsent, trotz der Idylle, sagt Natalija Chesnova. Sie gehört zum Leitungsteam des Kinderheims in Kiew. Die Geräusche des Krieges seien dem alltäglichen Rauschen hier sehr ähnlich. Eine anfahrende Straßenbahn, ein herannahendes Kleinflugzeug, all das seien Klänge, die sie mit Zerstörung und Krieg verbinde. Neulich habe es Probealarm in der Unterkunft gegeben. Alle seien darauf vorbereitet gewesen. Trotzdem sei es für die Kinder und auch sie selbst kaum auszuhalten gewesen.
"Als die Sirenen losgingen, sind die Kinder plötzlich in eine Art Schockstarre gefallen."

In solchen Momenten kommt das Erlebte wieder hoch. Doch das sei die Ausnahme, betont Roman Kornijko. Für die Kleinen sei es hier wie auf einer Ferienfreizeit. "Ihr Lachen macht mich froh", sagt Kornijko und lächelt. "Wir sind wegen der Kinder nach Deutschland gekommen, damit sie ein glückliches Leben führen können." Das scheint den Betreuern derzeit zu gelingen.