Es herrscht reger Betrieb im Roma-Büro in Freiburg. Im Versammlungsraum ist ein Matratzenlager aufgebaut, Kinder spielen dort, Frauen unterhalten sich. Seit dem Wochenende beherbergt die Selbsthilfeorganisation für Roma-Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien eine neunköpfige ukrainische Familie in ihren Räumlichkeiten.
Erstversorgung in der Not
Was hätte er am Sonntagmorgen, als sie in Freiburg angekommen sind, anderes machen sollen, sagt Büroleiter Tomas Wald. Er hätte sie ja schlecht in den Park schicken können. Also räumte er mit anderen Vereinsmitgliedern das Büro um und organisierte schnell Matratzen und Verpflegung für die erschöpfte Familie, die zwei Wochen auf der Flucht war. Die Erstversorgung ist jetzt zwar gesichert, die Lage sei aber immer noch sehr unübersichtlich.
"Wir haben es geschafft, einen sicheren Ort zu schaffen. Aber wir leben noch von Tag zu Tag. Wir können nur schauen, was heute oder in den nächsten zwei Stunden ansteht."
Roma-Büro: klein aber sicher
Das Roma-Büro ist etwas klein für so viele Menschen. Aber es gibt ein Bad und eine Küche sowie zwei Zimmer zum Schlafen und Ausruhen. Ludmilla ist sehr dankbar, dass sie mit ihrer Tochter und ihren Verwandten hier ein Obdach gefunden hat und in Sicherheit ist. "Mir geht’s gut", sagt sie bei einer Besprechung am Küchentisch. Die 40-Jährige ist dennoch besorgt, denn ihr Sohn musste in der Ukraine bleiben.
Heimatstadt im umkämpften Osten ist zerstört
Ludmillas Neffe hatte mehr Glück. Der 29 Jahre alte Arthur hat fünf Kinder - zwölf Jahre ist das älteste, gerade mal 10 Monate das jüngste. Deshalb durfte er die Ukraine verlassen. Ab dem vierten Kind entfällt die Wehrpflicht. Die Großfamilie kommt aus dem stark umkämpften Osten. Dort, so erzählt Arthur und zeigt das Handyfoto eines Trümmerfeldes, sei nun alles zerstört.

"Zwei Kilometer von unserem Haus schlugen die Bomben ein, stundenlang. Deshalb sind wir so schnell wie möglich abgehauen und haben uns vier Tage in einem Bunker versteckt. Dort sind die Kinder krank geworden. Später haben die Russen diesen Bunker auch bombardiert.“
Es folgten weitere angsterfüllte Tage in der U-Bahn von Charkiw, bevor die Familie mit dem Zug an die polnische Grenze fahren konnte. Die Fahrt dauerte 18 Stunden, zwei Scheiben Brot war ihr einziger Proviant. In Polen brachten Roma-Aktivisten sie zu einem Bus nach Freiburg. Der Transport hatte zuvor Hilfsgüter geliefert und nahm auf dem Rückweg Flüchtlinge mit. Das Hilfe-Netzwerk funktioniere gut, so Tomas Wald, der die Familie dann in Freiburg in Empfang nahm.
Schwierige Situation für beide Seiten
Die Kriegsflüchtlinge seien sehr verängstigt und orientierungslos gewesen, berichtet Wald. Sie hätten zunächst kein Vertrauen gehabt. Für ihn und die anderen Helfer, die unter anderem den Kosovo-Krieg erlebt hätten, sei das emotional eine sehr schwierige Situation. Bei ihnen komme dadurch das Trauma zurück - sie würden das, was vor 20, 30 Jahren passiert sei, jetzt wiedererleben. Das Ankommen, Einleben und Helfen überdecke die Ängste der Roma-Kriegsflüchtlinge von damals und heute. Die Nerven liegen bei allen blank.
"Das Eis ist ganz dünn: Wenn man einen Hubschrauber hört, denkt man gleich, die Detonation geht los."

Tomas Wald sucht nun händeringend nach Unterkünften: für die neunköpfige Großfamilie und auch für die vielen anderen Roma-Kriegsflüchtlinge, die noch kommen werden. "Wir brauchen dringend großen Wohnraum wie leerstehende Gasthäuser oder verlassene Bauernhöfe. Wir brauchen größere Orte, wo sie zusammenbleiben können. Denn für Angehörige der Roma-Minderheit ist der Familienzusammenhalt das Wichtigste."