"Ich habe da eine ältere Frau gesehen." Marius, Klasse 9a am Freiburger Droste-Hülshoff-Gymnasium, spricht langsam und leise. "Die stand vor ihrem zerstörten Haus, das war ihr Zuhause." Er schaut zu seinem Gemeinschaftskundelehrer. Der wartet geduldig, lässt den Schüler ausreden. "Das war so schrecklich, sie da so stehen zu sehen. Das macht mir Angst", sagt Marius schließlich und sucht wieder den Blickkontakt. In den Augen des Lehrers findet er für einen Moment Halt.
Auch Horrorvorstellungen von der Seele reden
Die anderen Schülerinnen und Schüler hören schweigend zu. Jede und jeder in der Klasse kann hier mitfühlen. Mit den Ängsten von Marius und mit den Menschen in der Ukraine. "Es ist jetzt wichtig, den Jugendlichen Raum zu geben, dass sie ihre Ängste, ihre Befürchtungen, ja sogar ihre schlimmsten Horrorvorstellungen äußern dürfen", sagt Lehrer Marc Buhl.
"Zuhören, Interesse zeigen, das ist schon mal das Wichtigste."

In der Schule ist der Krieg seit zwei Wochen Thema, in fast allen Stunden wird darüber gesprochen, Lehrpläne werden über den Haufen geworfen, Klassenlehrerstunden eingeschoben.
Der Ukraine-Krieg ist häufig Thema an der Schule
Die Schülerinnen und Schüler haben noch nie Krieg in Europa erlebt, selbst den Bosnien-Krieg kennen sie nur aus Erzählungen. Im Unterricht haben sie viel über den Zweiten Weltkrieg erfahren. Das schürt schreckliche Ängste, sogar vor einem Atomkrieg. Auch dies sollen die Jugendlichen aussprechen, sagt der Lehrer, das helfe oft schon.
Jugendliche sammeln und spenden für die Ukraine
"Ich glaub', das ist einfach schön, wenn man weiß okay, wir können zwar nicht viel machen, aber irgendwie können wir Schüler doch irgendwas machen und das ist doch schön so", formuliert es Schülerin Nathalie. In den letzten zwei Wochen haben die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Aktionen gestartet. Sie haben Care-Pakete gepackt und bei einem Kuchenverkauf in der Pause 250 Euro Spenden eingenommen.
"Das Erste ist, dass die Jugendlichen ihre Ängste und Befürchtungen äußern können. Das Zweite ist, Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich aus dem Gefühl der Hilfslosigkeit zu befreien."
Blau-gelbes Riesenposter mit Slogans und Gedanken zum Krieg
Zehn Meter lang ist eine blau-gelbe Flagge, die die Jugendlichen gestaltet haben. Sie läuft als Riesenposter entlang der großen Glasfenster der Aula. In Schönschrift haben sie ihre Wünsche darauf geschrieben. "Stoppt Putin!" steht da und "Solidarität mit der Ukraine". Ganz oft das Peace-Symbol und in vielen verschieden Sprachen das Wort "Frieden", auch auf Ukrainisch und Russisch.
"Ich weiß es nicht, ich glaube, Krieg macht nie Sinn. Vielleicht als Machtdemonstration oder dass sie ihr Land größer machen wollen. Ich glaub', Krieg macht nie Sinn."
Die lange Flagge hilft den Schülerinnen und Schülern hier ein wenig, sich aus der Hilfslosigkeit zu befreien. Die Jugendlichen fotografieren sie und stellen Bilder in die sozialen Netzwerke. Vielleicht sieht es ja jemand in der Ukraine und tröstet sich, dass der Krieg den Schülerinnen und Schülern in Freiburg alles andere als egal ist.