Ausstellung in Basel

Kunst gegen Vergewaltigungen: Feministische Künstlerin lässt Männer sprechen

Stand

Von Autor/in Anne-Sophie Galli

Eine Stierkampfarena als Symbol für Männlichkeit: Männer tragen Berichte von Frauen vor, die Opfer von Gewalt wurden. Künstlerin Suzanne Lacy hat sie gefilmt. Zu sehen ist das im Museum Tinguely in Basel.

Die Fakten sind erschreckend: In Deutschland wird fast täglich eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist. Viele weitere Frauen erleben sexualisierte Gewalt. Das Ausmaß des Problems bleibt schwer fassbar. Wie kann man Aufmerksamkeit dafür schaffen? Die berühmte Künstlerin Suzanne Lacy versucht es in der neuesten Ausstellung im Museum Tinguely in Basel - mit einem besonderen Stilmittel: In ihrer Videoinstallation "Your Own Hand" reden ausschließlich Männer.

Männer vertreten die Stimmen der Frauen

Die Männer tragen Berichte von und über Frauen vor, die Opfer von sexualisierten Übergriffen, von Gruppenvergewaltigungen oder Femiziden geworden sind. Künstlerin Lacy erklärt: "Von Männern wird nicht erwartet, Empathie und politisches Engagement für die Beseitigung dieser Gewalt zu zeigen. Deshalb finde ich es wichtig, dass in dieser Installation Männer die Stimmen der Frauen vertreten."

Viele Menschen stehen in einer Stierkampfarena
In einer Stierkampfarena - einem Ort der Gewalt - lesen Männer Berichte zu Gewalterfahrungen von Frauen vor.

Geschlechter und Machtverhältnisse im Fokus

Die Männer sieht man in lebensgroßen, hochkantigen Videos in einem abgedunkelten Raum. Sie tragen weiße Hemden und man sieht an ihrer Mimik, wie sehr sie das Vortragen der rohen Gewalterfahrungen herausfordert. Ein Mann sagt: "Mit einem Knoten im Hals, Tränen in den Augen und zitternden Händen möchte ich diese Geschichte beginnen." Und ein anderer: "Die Gewalt einer Tat, die mein Leben verändern wird: Er nimmt mich in seine Arme und führt seine Hand in mich ein. Es tut weh. Ich schreie. Er sagt mir, ich solle den Mund halten. Ich drehe mich um, versuche zu rennen, aber ich kann nicht entkommen."

Der Diskrepanz zwischen männlichen Stimmen und weiblichen Erfahrungen rege zum Nachdenken über Geschlechter und Machtverhältnisse an, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Sandra Beate Reimann.

Patriarchat als Ursache für die Gewalt gegen Frauen

Die Videos sind in einem Kreis angeordnet, um den Besuchenden das Gefühl zu geben, gleich selbst am Ort zu sein, wo die Aufnahmen entstanden sind: einer Stierkampfarena in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Dieser männlich geprägte Ort der Gewalt verdeutlicht die Botschaft, die sich durch Lacys langjähriges Schaffen zieht: Der Grund für Gewalt gegen Frauen sei das Patriarchat.

Die heute 79-Jährige war in den 1970ern eine der ersten Künstlerinnen, die sich mit Vergewaltigungen aus einer weiblichen Perspektive beschäftigt haben. Und sie ist eine Pionierin der aktivistischen Performancekunst, bei der sie mit vielen Menschen zusammen Kunst macht.

Die Männer in der Videoinstallation hatten im Vorfeld Workshops besucht, wo sie über Gewalt an Frauen sprachen und traditionelle Rollenbilder hinterfragten, sagt der damalige Workshop-Leiter Timm Kroeger: "Traditionelle Männlichkeit macht einen Mann nicht glücklich, weil sie eben nicht erlaubt, zu gucken was macht mich eigentlich als Mann glücklich?" Die Ziele - physische Stärke, viele Frauen und Geld zu haben - überforderten viele Männer. Durch den Workshop aber hätten die Männer gelernt, auch Schwächen anzuerkennen - und mit anderen über das Thema zu sprechen.

Künstlerin kämpft weiter - auch wegen Trump

Auch im Museum Tinguely hofft man, dass die Ausstellung eine Debatte auslösen wird. Zur Videoinstallation gibt es ein Begleitprogramm, bei dem Interessierte mitreden können. Lacy sagt: "Ich möchte, dass Männer und Frauen verstehen, dass das Problem der Gewalt gegen Frauen und Kinder ein Problem ist, das wir gemeinsam auf gesellschaftlicher Ebene angehen müssen und dass Männer dabei eine Rolle spielen können." 

Künstlerin Lacy glaubt zwar, dass heute mehr Menschen verstanden hätten, dass Gewalt gegen Frauen ein politisches Problem sei. Allerdings zementiere die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten in ihrem Heimatland und der Aufstieg rechtsextremer Ideologien die alten Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern. Auch deshalb will sie auf jeden Fall weiter kämpfen - und auch mit knapp 80 Jahren weiter Kunst erschaffen. Die Ausstellung ist bis im September zu sehen.

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