Bis zu 400 Jahre alte Eindachhöfe, locker platziert zwischen Weiden und Wiesen: Der historische Ortskern von Geschwend (Landkreis Lörrach) gleicht einem Schwarzwaldidyll aus vergangenen Zeiten. Die Stadt hat das Gebiet sogar extra unter Denkmalschutz gestellt. Und genau hier schwelt seit fast sieben Jahren ein Streit: Nostalgie gegen Neubau. Gegen den wehrt sich die Interessengemeinschaft "Schwarzwalddorf Geschwend", allen voran Ruth Silveira vom angrenzenden Blasihof.
Historischer Ortskern unter Denkmalschutz
Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die meisten aus der direkten Nachbarschaft, teilen ihre Ansicht. Der Neubau, unwiederbringlich würde er das Ortsbild zerstören, meinen sie: "Mein Herz hängt an diesen Häusern und an der Heimat. Und deswegen empfinde ich das als Ohrfeige für alle, die sich die Mühe machen, dass das so erhalten bleibt - und dann macht man einen Neubau dahin."
Für Klaus Steinebrunner unbeschreiblich. Erwin Ortlieb geht es genauso. Sein ganzes Leben hat der 89-Jährige auf dem Hof neben dem umstrittenen Baugrundstück verbracht: "Wenn‘s jetzt bloß ein Einfamilienhaus wäre, wäre es wieder anders. Aber sowas zwischen den Schwarzwaldhäusern, also ich weiß nicht."
Aus den gleichen Motiven unterstützt auch die pensionierte Lehrerin Ingrid Höckele-Schmidt die Interessengemeinschaft "Schwarzwalddorf Geschwend". Sie will den historischen Ortskern bewahren: "Und wenn jetzt so ein Riesending hier zwischen rein kommt ein modernes, dann kann man das alles vergessen."
Bauherr plant modernes Schwarzwaldhaus
Auf 770 Quadratmetern soll das umstrittene Mehrfamilienhaus gebaut werden: drei Etagen mit fünf Wohnungen, dazu acht Parkplätze. Zu groß das Ganze, zu wenig Grün, so die Kritik.
Bauherr Martin Falger, der aktuell im Elternhaus ein paar Straßen weiter wohnt, empfindet das als Stimmungsmache - auch wenn er die Bedenken aus der Nachbarschaft zum Teil verstehen kann. Denn ihm ging es immer genau darum, dass sein Neubau hierher passt:
Neubau den alten Höfen nachempfunden
Ein modernes Schwarzwaldhaus: mit Holzschindeln und Walmdach den alten Höfen nachempfunden. Elf Meter hoch - und damit niedriger als ursprünglich geplant, auch das Grundstück wird extra abgegraben, damit der Neubau weniger exponiert wirkt. Parkplätze in Schotterrasen statt Tiefgarage, um möglichst viel Grün zu erhalten. Ein Kompromiss, auch für Martin Falger selbst:
Nach Gerichtsurteilen: Landratsamt Lörrach genehmigt Neubau
Denn zweimal hatte der 34-jährige Maschinenbauer und Landwirt zuvor geklagt, vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim und dem Verwaltungsgericht Freiburg. Bis er Recht bekommen hat – und vom Landratsamt Lörrach schließlich doch die Baugenehmigung für sein Vorhaben, trotz der von der Stadt Todtnau eigens erlassenen Denkmalschutzsatzung.
Dabei hätte das Landratsamt Lörrach genau abwägen müssen zwischen Denkmalschutz- und Eigentümerinteressen, am Ende eine Ermessensentscheidung, erklärt Nicole Isler-Burger, Fachbereichsleitung Baurecht: "Die nächsthöheren Instanzen überprüfen immer die Entscheidungen der vorangegangenen Behörde und wie es eben hier der Fall war, hieß es: klare Botschaft, das Grundstück ist bebaubar, aber wir müssen nochmal rangehen und eben eine denkmalgerechte Lösung finden."
Auch Denkmalpflege gegen den Neubau in Geschwend
Geht es allerdings nach dem Landesamt für Denkmalpflege, dürfte auf dem umstrittenen Baugrundstück eben gar nicht gebaut werden. Landeskonservator und Referatsleiter Martin Hahn vom Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart hat sich deshalb klar gegen das Vorhaben ausgesprochen. Die historische Grünfläche sollte freigehalten werden.
Dass sie jetzt doch bebaut wird, hätte ein Bebauungsplan vermutlich verhindern können. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Trotzdem gibt die Interessengemeinschaft um Ruth Silveira nicht auf. Sie verstehen nicht, dass die Behörden so entschieden haben, hoffen doch noch auf eine Einigung mit dem Bauherrn.
Ihr Widerspruch gegen die Baugenehmigung läuft noch. Sie halten die Gerichtsurteile für falsch und wollen, dass ihr Schwarzwalddorf Geschwend bleibt, wie es ist. Deshalb kämpfen sie weiter.