Verlegung der Stolperschwelle mit Publikum (Foto: SWR, Laura Könsler)

Aufarbeiten von Mitschuld

Stolperschwelle gedenkt jüdischer NS-Opfer an deutsch-schweizer Grenze

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Katharina Seeburger
Eine Frau mit dunkelblonden Haaren lacht in die Kamera. Ihre Haare sind etwas länger als schulterlang. Katharina Seeburger trägt einen gestreiften Pullover in blau, rosa und grau. (Foto: SWR, Laura Könsler)
Laura Könsler

Die Schweiz arbeitet Mitschuld auf. Am Grenzübergang Lörrach/Riehen wurde zum Gedenken an 13 jüdische NS-Opfer eine Stolperschwelle verlegt.

"Von hier aus wurden am 23.11.1938 dreizehn Jüdinnen und Juden von Schweizer Polizisten und Grenzwächtern der Gestapo ausgeliefert. Im Gedenken an über 30.000 Menschen, die in ihrer Not Rettung in der Schweiz suchten und um Einlass gebeten hatten. Vergeblich. Die Schweiz trägt eine Mitschuld an ihrem Schicksal." So die Inschrift der Stolperschwelle, die Gabriel Heim von der Stolperstein-Initiative Schweiz bei der Gedenkveranstaltung vorliest.

"17 Kilometer lang war hier ein großer Stacheldrahtverhau, acht Meter tief, drei Meter hoch."

Ganz in der Nähe befindet sich noch der alte Grenzstein, der die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz, zwischen Lörrach und Riehen (Kanton Basel-Stadt) markiert. Zur Zeit des Dritten Reiches war diese Grenze unüberwindbar, weiß der Leiter des Lörracher Dreiländermuseums, Markus Moehring: "Man muss sich vorstellen: 17 Kilometer lang war hier ein großer Stacheldrahtverhau, acht Meter tief, drei Meter hoch. Das bedeutet: NS-Deutschland wollte die Flucht in die Schweiz verhindern. Aber trotzdem ist es immer wieder jüdischen Flüchtlingen gelungen, hier in die Schweiz zu kommen. Und wenn sie aufgegriffen wurden und keine Nachweise hatten, dann wurden sie genau hier wieder an die deutschen Behörden übergeben", sagt er mit Blick auf den Grenzübergang.

Auslieferung bedeutete den sicheren Tod

Mit der Auslieferung nach Deutschland war ihr Schicksal besiegelt. An der Grenze spielten sich teils dramatische Szenen ab, so Moehring: "Jeder Jude, der wieder nach Deutschland überstellt wurde, der wusste ja, was ihn erwartet. Wir wissen von einem Juden, der hat Selbstmordversuche gemacht. Als er von der Schweizer Polizei gefangen genommen wurde, hat er sich verletzt, er hat den Selbstmord überlebt und wurde - verbunden - hier am Zoll nach Deutschland überstellt. Er wurde dann ins KZ gebracht und ist dann dort ermordet worden."

Zahl der Abgewiesenen unklar

Von 30.000 Schutzsuchenden weiß man sicher, dass sie von den Schweizer Behörden an Nazi-Deutschland ausgeliefert wurden. Historiker rechnen jedoch mit viel mehr. Gabriel Heim, von der Stolper-Initiative Schweiz: "Mit dieser Stolperschwelle soll stellvertretend an das Schicksal aller Flüchtlinge erinnert werden, die zur Zeit des Nationalsozialismus hier und an den Grenzen der Schweiz abgewiesen wurden. Ihre Zahl lässt sich bis heute nicht rekonstruieren, da wichtige Quellen in der Nachkriegszeit vernichtet wurden."

Mahnmal am Grenzübergang

Die Aufarbeitung dieser Geschichte gestaltet sich nach wie vor schwierig und schleppend. Da passte es fast schon ins Bild, dass die für Dienstag vorbereitete Fassung im Asphalt am Grenzübergang für die Schwelle dann doch zu klein war. Eben eine richtige Stolperschwelle!

Verlegung der Stolperschwelle mit Publikum (Foto: SWR, Laura Könsler)
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Die Stolperschwelle am Grenzübergang Lörrach/Riehen ist eine von rund 25 Schwellen, die der Künstler Gunter Demnig bislang geschaffen hat. Die Schwelle ist angelehnt an seine Kunstaktion "Stolpersteine". Demnig wurde am Dienstag von seiner Frau Katja Demnig vertreten.

Verlegung der Stolperschwelle mit Publikum (Foto: SWR, Laura Könsler)
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