Der letzte Tag seines Besuches in Rottweil stand für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst im Zeichen von politischen Gesprächen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (parteilos) und Kommunalpolitiker aus der Region nahmen daran teil. Oberbürgermeister Ralf Broß (parteilos) hatte in den historischen Ratssaal des Rottweiler Rathauses geladen. Dabei ging es um Themen wie Stärkung des Ehrenamts, Stimmung und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und der Situation von Flüchtlingen, aber auch um die Probleme durch die Zunahme von Anfeindungen gegenüber Kommunalpolitikern.
Im Anschluss an die Gespräche verlieh der Bundespräsident zusammen mit dem Ministerpräsidenten Orden an verdiente Bürger aus dem Land. In einer Rede zum Abschied bedankte sich Steinmeier für die "überwältigende Gastfreundschaft" in Rottweil. Im Gespräch mit den Bürgern interessiere ihn besonders, was die Menschen gerade jetzt von Politik erwarteten: "Worauf vertrauen die Menschen", fragte Steinmeier. "Wenn Vertrauen fehlt: Wie kann es wieder hergestellt werden?" Dabei habe er in Rottweil auch Kritisches gehört, wofür er sehr dankbar sei.
Bundespräsident beeindruckt von bürgerschaftlichem Engagement
Steinmeier sagte, er habe in Rottweil erlebt und gespürt, wie lebendig die Demokratie sei, wie sehr die Stadt und die ganze Region geprägt sei von bürgerschaftlichem Engagement, das sich nicht vor den riesigen Herausforderungen der Gegenwart verschließe. Er wollte mit den Menschen dort ins Gespräch kommen, was auch teilweise gelang. Er habe auch den Kontakt zu den sogenannten Montagsspaziergängern gesucht, sagte er. Allerdings lehnten die Demonstrierenden alle Gesprächsangebote ab. Stattdessen zogen am Mittwochabend wieder knapp 450 Menschen durch die Rottweiler Innenstadt und protestierten gegen die Corona- und Impfpolitik in Deutschland.
Auch in die Richtung der Protestierenden sagte Steinmeier am Donnerstag bei seinem Abschied: "Wir müssen uns bemühen, innerhalb unserer Gesellschaft das Gespräch wieder zustande zu bringen, zu fördern, keine Angst zu haben vor Kontroversen. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass die Vertreter derjenigen, die zu den Spaziergängen aufgebrochen waren, mit am Tisch gesessen hätten. Sie waren eingeladen, doch sie haben sich dem Gespräch verweigert. Stattdessen auf der Straße die eigenen Botschaften zu verbreiten, finde ich nicht besonders mutig - aber wir haben das zu akzeptieren."
"Ortszeit Deutschland" in ältester Stadt Baden-Württembergs
Das Staatsoberhaupt hatte am Dienstag seinen Amtssitz für drei Tage nach Rottweil verlegt. Mit der sogenannten "Ortszeit Deutschland" in der ältesten Stadt Baden-Württembergs wollte Steinmeier nach Stationen in Altenburg (Thüringen) und Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) erneut in direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern des Landes kommen.
An seinem ersten Tag in Rottweil hatte Steinmeier unter anderem die Synagoge und den mehr als 200 Meter hohen Aufzug-Testturm des Unternehmens Thyssen-Krupp Elevator besucht. Am Mittwoch ließ sich das Staatsoberhaupt in der Narrenzunft die Eigenheiten der Fasnet erklären und traf Bürgerinnen und Bürger an einer Kaffeetafel.
Überschattet wurde Frank-Walter Steinmeiers Aufenthalt in Rottweil durch die Amokfahrt in Berlin am Mittwochnachmittag. Ein offenbar psychisch gestörter 29-Jähriger aus Berlin war in der Nähe der Gedächtniskirche im Stadtteil Charlottenburg mit einem Kleinwagen in eine Gruppe Passanten gefahren. Eine Lehrerin wurde getötet und 29 Menschen zum Teil schwer verletzt.
Bedauern und Mitgefühl für Opfer und Hinterbliebene der Berliner Amokfahrt
Der Bundespräsident äußerte vor seiner Abfahrt in Rottweil sein Bedauern und Mitgefühl für die Hinterbliebenen und die Opfer dieser Tat. Seine Rückreise nach Berlin trete er nach den vielen positiven Eindrücken in Rottweil deshalb mit gemischten Gefühlen an.