Das Mehrwegsystem sorgt dafür, dass Brauereien nicht jedes Bier in eine neue Flasche füllen müssen. Angesichts steigender Strom- und Gaspreise eigentlich ein Segen. Joachim Rogg macht sich dennoch Sorgen. "Noch muss niemand auf dem Trockenen sitzen", sagt er zwar. Aber der Brauereimeister der Familienbrauerei Rogg aus Lenzkirch (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) rechnet mit kräftigen Preisanstiegen.
Teures Gas verdoppelt Flaschenpreis für Glasflaschen
Dabei hat die Brauerei bereits früh in erneuerbare Energien investiert. Auch in eine neue Flaschen-Waschmaschine, die die Umwelt und das lokale Abwasser weniger belastet. Trotzdem habe die Energiekrise den Flaschenpreis für Glasflaschen wegen des teuren Gases, das für die Produktion von Glas notwendig ist, jetzt schon verdoppelt.
SWR-Reporterin Maya Rollberg hat sich bei den Schwarzwälder Brauereien umgehört:
Trotz Mehrwegsystem: hoher Energie- und Altglasverbrauch
Bis zu 50 Mal lassen sich Glaspfandflaschen reinigen und wieder befüllen. Ein auf den ersten Blick nachhaltiges System, das es quasi schon so lange gibt, wie Brauereien Bier in Flaschen abfüllen. Deutschland ist eines der wenigen Länder mit Mehrwegsystem.
Aber es führt aktuell zu weiteren Problemen für die Brauereien: Verunreinigungen, etwa durch Kippenstummel oder Bierdeckel, sorgen dafür, dass die Flaschen unnötigerweise im Altglas landen. Außerdem behalten Menschen ihr Leergut oft zu lange zuhause. Die Brauereien sind jedoch auf einen schnellen Rücklauf angewiesen. Joachim Rogg plädiert deswegen für einen höheren Pfandpreis für Bierflaschen.
Mehrweg-Kooperation statt mehr Weg für Leergut-Transport
Auch die Transportwege für Leergut werden oft nicht in den Pfandpreis einberechnet. Denn das Leergut muss erstmal sortiert werden. Die meisten Bierpfandflaschen werden erst nach Bayern transportiert, um dort sortiert und wieder an die Brauereien ausgeliefert zu werden. Unnötige und schädliche Transportwege, wie Dieter Schmid, Geschäftsführer der Brauerei Waldhaus (Kreis Waldshut) findet. Deshalb kooperieren regionale Brauereien oftmals miteinander, um die Bierflaschen mit weniger Emissionen wieder zu den Brauereien zu bekommen. So werden Wege gespart und die Kosten niedrig gehalten.
Kohlenstoffdioxid: Lieferengpässe bringen Brauereien in Existenznot
Hohe Flaschenpreise sind allerdings nicht das einzige Problem für Brauereien. Auch Malz, Getreide und Kohlenstoffdioxid sind extreme knapp geworden. Kohlenstoffdioxid braucht es für die Kohlensäure im Bier und um die Luft aus der Flasche zu drängen, denn wäre Luft im Bier, würde es oxidieren und schlecht werden. Kohlenstoffdioxid entsteht als Abfallprodukt bei der Düngemittelherstellung. Sinken die Produktionen, wie jetzt im Falle der Energiekrise, gibt es auch weniger CO2. Lieferengpässe sorgen vielerorts derzeit für Schließungen von Brauereien.
CO2-Rückgewinnung: Schwarzwald-Brauereien helfen sich
Größere Brauereien haben hier auch so etwas wie ein Mehrwegsystem für Kohlendioxid: eine Rückgewinnungsanlage, die das bei der Vergärung entstehende CO2 wieder in die Produktion einfließen lässt. Aber diese teure und große Anlage können nur große Brauereien finanzieren, sie ist nicht wirtschaftlich für kleinere Brauereien. Nicht nur im Schwarzwald helfen sich die Brauereien derzeit gegenseitig mit CO2-Lieferungen aus.
Bierbrauen ist ein Energie- und Kostenintensiver Prozess
Die größte Herausforderung der Brauereien, die zu den energieintensiveren Branchen gehören, besteht momentan darin, die steigenden Energie- und Produktionskosten zu stemmen. Um Bier herzustellen, muss die Bierwürze bei 100 Grad Celsius gekocht und direkt danach für die Vergärung des Malzzuckers abgekühlt werden.
Mit Hefe wird der Zucker des Malzes während der Hauptgärung in Alkohol und Kohlendioxid umgewandelt, welches hier potenziell mit einer Anlage zurückgewonnen werden kann. Die Hefe sinkt auf den Boden und wird "geerntet", wenn der Malzzucker vergoren ist. Während der Haupt- und Nachgärung wird das Bier bis auf minus 1,5 Grad abgekühlt: alles in allem also ein Energieintensiver Prozess.
Kostensteigerung: Brauereien hoffen auf Politik und Kunden-Verständnis
Der Geschäftsführer der Brauerei Waldhaus rechnet mit einer Kostensteigerung in Höhe von zehn Prozent seines Umsatzes. Das sind mehr als eine Million Euro. Die Brauereien hoffen auf Unterstützung der Politik - und auf das Verständnis von Kundinnen und Kunden. Denn der Bierpreis ist in Deutschland vergleichsweise so billig, dass ein starker Verdrängungswettbewerb entsteht und immer mehr, insbesondere kleine Brauereien, schließen müssen. Auch wenn die Brauereien im Schwarzwald jetzt noch versuchen, ihre Preise zu halten, müssen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher wohl auf einen Kastenpreis von über 20 Euro einstellen.