Radonbelastung im Schwarzwald

Gefährliches Gas in Häusern und Wohnungen: Die Lungenkrebsgefahr unter dem eigenen Dach

Stand

Von Autor/in Samantha Happ, Chris Libuda

Es ist geruchlos, geschmacklos, unsichtbar und kann Lungenkrebs verursachen. Im Schwarzwald gibt es besonders viel von dem Gas. Wann Radon gefährlich wird und was man dagegen tun kann.

Ein schöner Frühlingstag im idyllisch gelegenen Münstertal (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald), die Sonne scheint, die Kirschbäume stehen in ihrer Blüte. Vergleichbar mit den Pollen der Blumen und Gräser schwirren hier allerdings auch radioaktive Radon-Atome durch die Luft. Überall auf der Welt steigt das Gas als Zerfallsprodukt von Uran aus dem Erdreich auf und mischt sich in die Atmosphäre. Die Menge ist abhängig von den geologischen Gegebenheiten, aber auch anderen Einflüssen.

In machen Regionen tritt also weniger Radon aus dem Erdreich auf, in anderen mehr - wie etwa in Münstertal. Aus diesem Grund zählt die Gemeinde neben Oberried, Horben, Bollschweil und Schluchsee in ihrem Landkreis zu den sogenannten Radonvorsorgegebieten in Baden-Württemberg.

Radonvorsorgegebiete und Referenzwerte

Welche Regionen als Radonvorsorgegebiet gelistet werden, das bestimmt die Strahlenschutzbehörde des jeweils zuständigen Regierungspräsidiums. Dabei orientiert sie sich an dem im Strahlenschutzgesetz festgelegten Referenzwert von 300 Becquerel (Bq) Radon pro Kubikmeter. In Vorsorgegebieten wird davon ausgegangen, dass der Referenzwert im Durchschnitt über das ganze Jahr verteilt überschritten wird.

Daniela Winkler ist Bauingenieurin und Expertin für Radonbelastung in Gebäuden. Bei den Vorsorgegebieten spricht die Expertin von einer Scheinsicherheit. "Wenn die Leute denken, okay ich wohne nicht im Radon-Vorsorgegebiet, dann habe ich kein Problem."

Das Radon macht nicht an einer Landkreisgrenze Halt.

An der frischen Luft tief durchatmen: Dabei stellen Radon-Atome auch aufgrund der geringen Konzentration keinerlei Gefahr dar. "Wir atmen es ein und einfach wieder aus", erklärt Severin Schmid, Leiter des Lungenkrebszentrums an der Uniklinik Freiburg.

Über zehn Millionen Menschen von Radonbelastung betroffen

Gefährlich wird es, wenn Personen über einen längeren Zeitraum einer zu hohen Radonbelastung in Innenräumen ausgesetzt sind. Es sind die Zerfallsprodukte von Radon, die sich in der Lunge ablagern. "Die sind auch radioaktiv, würden dann in der Lunge strahlen und dort zu Schäden oder Entartungen der Zellen führen." Die Halbwertszeit von Radon liegt bei 3,8 Tagen.

Einer Prognose des Bundesamtes für Strahlenschutz sind in Deutschland 10,5 Millionen Menschen in ihren Wohnungen und Häusern einer Gefahr von einer Radon-Konzentration von mindestens 100 Becquerel pro Kubikmeter oder mehr betroffen. Für Radonvorsorgegebieten werden deswegen schon seit einigen Jahren besondere Vorkehrungen beim Hausbau getroffen.

Radon: Nach Rauchen zweithöchste Ursache für Lungenkrebs

Nach dem Rauchen von Zigaretten gilt Radon als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. "Studien gehen davon aus, dass Radon für sechs bis neun Prozent der Lungenkrebsdiagnosen in Deutschland und Europa verantwortlich ist", erklärt der Lungenfacharzt. Das klingt erst mal nacht nicht allzu viel, "doch in Deutschland erkranken jedes Jahr rund 55.000 Menschen an Lungenkrebs."

Damit käme man auf 2.500 bis 3.000 Erkrankungen, die mit Radon in Verbindung stehen. "Was doch noch eine relevante Zahl ist, vor allem wenn man berücksichtigt, dass es einfach zu behebende Ursachen sind, vielleicht sogar einfacher, als das Rauchen einzustellen", so der Facharzt. Besonders gefährdet: Starke Raucher, die zusätzlich über längere Zeit einer hohen Radonbelastung ausgesetzt sind. Doch wie kann bekämpft werden, was man als Problem gar nicht wahrnehmen kann?

Wie das unsichtbare Gas sichtbar wird

In einer Ecke im Keller des Münstertaler Rathaus kniet Bauingenieurin Daniela Winkler. In der Hand hält sie ein kleines Gerät mit einem langen Rüssel, das wie ein kleiner Staubsauger Luft einsaugt. Mit ihrem "Sniffer" geht die Expertin für Radonbelastung in Gebäuden auf die Jagd nach der unsichtbaren Gefahr.

Man riecht es nicht, man schmeckt es nicht und man sieht es nicht und ich glaube, das ist die große Gefahr dabei.

Ihre Jagdgebiete sind vor Fugen und Risse in Fundamenten und Wänden im Keller und Erdgeschoss. Denn darüber kann das Gas aus dem Erdreich in die Häuser und Wohnungen eindringen und sich dort ansammeln.

Radonexpertin Daniela Winkler mit einem Radonmessgerät in einem Kellerarchiv in Münstertal.
Bauingenieurin und Radonexpertin Daniela Winkler misst mit einem "AlphaSniffer" die Radonbelastung im Kellerarchiv des Rathaus in Münstertal.

Nach kurzer Zeit erscheint ein Wert auf ihrem Display: Er gibt Auskunft über die an dieser Stelle eintretenden Radon-Atome. Doch das alleine ist nur eine Momentaufnahme - um rauszufinden, ob in den Räumen dauerhaft eine zu hohe Radon-Konzentration herrscht, sind Langzeitmessungen nötig.

Kostenlose Messgeräte für Bevölkerung in BW

Ein simpler und kostengünstiger Weg, die durchschnittliche Radonbelastung im Haus zu untersuchen, ist mit einem sogenannten Exposimeter. Ein kleines Messgerät, das über einen längeren Zeitraum in den Keller oder Wohnraum gelegt wird. 3.500 solcher Messgeräte werden zurzeit (Stand: 9. April 2025) vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg kostenlos an Haushalte herausgegeben.

Ein Radonmessgerät für Langzeitmessungen.
Unter anderem mit einem sogenannten "Exposimeter" kann kostengünstig, über einen längeren Zeitraum in Kellerräumen die Radonbelastung gemessen werden.

"Die Zerfälle des Radons werden auf einer Folie als Punkt sichtbar. Am Schluss geht das dann ins Labor und dort werden die Einschläge auf der Folie fast schon händisch ausgezahlt", erklärt Winkler die Funktionsweise eines der Geräte. Darüber hinaus gibt es elektronische Messgeräte, damit können auch Privatpersonen noch detailliertere Messungen machen und beispielweise nachverfolgen, zu welcher Tages- oder Nachtzeit das Radon in den Raum eintritt.

Hohe Radon-Werte und jetzt?

"Es ist sinnvoll, dass man über einen längeren Zeitraum misst und am besten auch in den kalten Jahreszeiten wegen der Thermik. Es kann sein, im Sommer haben sie kein gutes Ergebnis und im Winter ist aber alles super", so Winkler. Sollte sich in den Räumen tatsächlich eine zu hohe Radonbelastung nachweisen lassen, gibt es in vielen Fällen oft schon einfache Wege, das Problem zu beheben: Vom regelmäßigen Lüften, Abdichten von durchlässigen Stellen in der Bausubstanz über Lüftungsanlagen bis hin zu etwas größeren Maßnahmen wie einem Lüftungssystem, das Radon bereits im Erdreich absaugt und umverteilt, bevor es durch Risse oder Fugen in das Gebäude eintreten kann.

Radon zur Therapie?

Die einen fürchten es, die anderen nutzen es zu Therapiezwecken: Angeboten werden unter anderem Radon-Heilbäder, - Luftbäder, -Dunstbäder oder Trinkkuren. Noch vor wenigen Jahren konnten Menschen mit rheumatischen Erkrankungen auch hier in der Region in Menzenschwand (Landkreis Waldshut) einer Radon-Therapie machen. Zwar gebe es bis heute kaum wissenschaftliche Hinweise auf die Wirksamkeit einer solchen Therapie, der Experte sieht darin jedoch auch ein eher geringes Risiko für die Lunge. "Wenn ich das nicht jeden Tag wiederhole, spielt das wahrscheinlich keine größere Rolle, was die Entwicklung von Lungenkrebs angeht."

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