Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart haben am Mittwoch im Prozess gegen einen mutmaßlichen "Reichsbürger" aus Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach) mehrere Polizisten ausgesagt, die an dem Einsatz im Februar beteiligt waren. Auch der Beamte, der laut Staatsanwaltschaft von dem angetrunkenen 62-Jährigen umgefahren und schwer verletzt worden war, wurde als Zeuge gehört.
Verletzter Polizist hat nur wenige Erinnerungen
Er wisse nur noch, dass er bei dem Zwischenfall aus seinem Streifenwagen ausgestiegen und auf das stehende Auto des nun angeklagten Mannes zugelaufen sei, berichtete der 40 Jahre alte Polizeihauptkommissar am Mittwoch vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Sonst kann sich der Beamte nach eigener Aussage kaum an die entscheidenden Sekunden erinnern.
"Ich bin charakterlich ein anderer Mensch"
Der Polizist aus dem Kreis Lörrach tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Er fordert Schmerzensgeld. Der Anklage zufolge wurde er damals auf die Motorhaube und dann auf den Boden geschleudert. Dabei habe er eine Gehirnblutung erlitten. Lange lag er im Krankenhaus. "Ich bin charakterlich ein anderer Mensch geworden", sagte der Beamte vor Gericht. Er habe sein Selbstvertrauen verloren und sei emotional abgestumpft und gereizter.
Der Polizist leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und sei immer noch dienstunfähig, heißt es von seinem Anwalt.
"Angeklagter hätte Aufprall verhindern können"
Zuvor hatten bereits zwei andere Beamte, die bei dem Vorfall dabei gewesen waren, ausgesagt. Nach ihren Einschätzungen hätte der Angeklagte den Aufprall verhindern können. Einer der Polizisten sagte, nachdem der Mann gestoppt werden konnte, habe er unvermittelt wieder Gas gegeben und sei auf den ausgestiegenen Polizisten zugesteuert. Der 34-jährige Beamte sprach vor Gericht von einem "zielgerichteten" Anfahren durch den Angeklagten.
Über die Aussagen der zwei Kollegen vor Gericht berichtet SWR-Reporterin Dinah Steinbrink:
Gericht versucht Geschehnisse zu rekonstruieren
Die Polizeibeamten mussten sich vor Gericht an etliche Details aus der Nacht im Februar erinnern. Um die Geschehnisse noch besser nachzeichnen zu können, wurden auch Fotos und ein Verhörvideo gezeigt, mit kleinen Modellautos wurde die entscheidende Szene nachgestellt.
Anklage wegen versuchten Mordes
Der Angeklagte, ein mutmaßlicher "Reichsbürger", muss sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Die Anklage gegen den 62-jährigen Deutschen ist die erste, die die Bundesanwaltschaft gegen einen "Reichsbürger" erhoben hat.
Auch Schüsse stoppten den mutmaßlichen "Reichsbürger" nicht
Bei dem Vorfall in Efringen-Kirchen war der damals angetrunkene 62-Jährige laut Bundesanwaltschaft in eine Verkehrskontrolle geraten, hatte kurz gestoppt und dann wieder Gas gegeben. Wiederholt wurde er angehalten, konnte aber immer wieder mit seinem Auto entkommen. Auch durch mehr als zwei Dutzend Schüsse auf seinen Wagen und mehrere Streifenwagen war er nicht aufzuhalten gewesen, bis er schließlich laut Bundesanwaltschaft absichtlich auf einen Beamten zuhielt und den Mann umfuhr.
Der Fernsehbericht in SWR Aktuell zum Auftakt des Prozesses zum Nachschauen:
Angeklagter schwieg zu Prozessbeginn
Zu Prozessbeginn vergangene Woche hatte der Angeklagte zu den Vorwürfen geschwiegen. Der Angeklagte soll "Reichsbürger" sein und die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Laut Anklage hat er den Polizisten aus seiner politischen Gesinnung heraus verletzt. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass der 62-Jährige den Polizisten absichtlich angefahren und dabei "seine persönliche Freiheit über das Leben des Polizeibeamten" gestellt hat. Die Kammer am Oberlandesgericht Stuttgart muss nun klären, ob der Angeklagte den Beamten tatsächlich absichtlich angefahren hat und ob er aufgrund seiner politischen Gesinnung versucht hat, den Polizisten zu töten.