Der Angeklagte wird vor der Urteilsverkündung in einen Gerichtssaal des Oberlandesgerichts geführt. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/dpa/Pool | Bernd Weißbrod)

Versuchter Mord

Urteil: Zehn Jahre Haft für "Reichsbürger" wegen Angriff auf Polizisten

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Gabi Krings

Das OLG Stuttgart hat einen "Reichsbürger" aus dem Kreis Lörrach zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Mann hatte einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle umgefahren und schwer verletzt.

Nach einer Auto-Attacke auf einen Polizisten muss ein sogenannter Reichsbürger aus Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach) wegen versuchten Mordes ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart verurteilte den 62-Jährigen am Freitag zu zehn Jahren Haft. Vor gut einem Jahr war der Mann vor mehreren Verkehrskontrollen geflohen und hatte schließlich auf einen Polizisten zugesteuert, den er mit seinem Wagen erfasste und schwer verletzte. Der Polizist erlitt massive Kopfverletzungen und ist bis heute dienstunfähig. Der Verurteilte muss ihm laut Gericht 30.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und sämtliche Kosten - wie etwa Behandlungskosten - ersetzen. Außerdem muss der Verurteilte nach seiner Haftentlassung für fünf Jahre seinen Führerschein abgeben.

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Der Mann habe erhebliche Verletzungen und den möglichen Tod des Polizisten in Kauf genommen, "um seine ideologische Überzeugung durchzusetzen", hieß es in der Urteilsbegründung. Er habe sich seit 2017 zunehmend radikalisiert, die Bundesrepublik Deutschland und damit auch das Grundgesetz sowie die geltende Rechtsordnung abgelehnt. Polizisten bezeichnete er demnach als "Terroristen" und "Kombattanten", er sprach sich selbst das Recht zu, diese "straffrei zu eliminieren". "Wenn man seine eigene Fantasierechtsordnung über das Leben anderer Menschen stellt, dann ist das ein niederer Beweggrund", erläuterte der Richter. Mit seinem Urteil folgte das OLG den Forderungen der Bundesanwaltschaft, die den Mann angeklagt hatte.

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Keine Erinnerung an Vorfall

Der Mann gab während des Prozesses an, keinerlei Erinnerungen an den Vorfall zu haben. Er habe schon vor der Polizeikontrolle das Gefühl gehabt, etwas "Böses" komme auf ihn zu, er sei "verängstigt" und "desorientiert" gewesen, schilderte der 62-Jährige am Freitag.

In seinen letzten Worten vor Gericht gab er an, noch nie eine Waffe besessen zu haben. Zwei Armbrüste, die bei ihm gefunden wurden, habe er zum Bogenschießen nutzen wollen für eine "mentale Erweiterung". Um den Richtern das zu präsentieren, wollte er eine Qigong-Übung im Saal vorführen.

Erster "Reichsbürger"-Prozess" für Bundesanwaltschaft

Der Mann aus Efringen-Kirchen ist der erste sogenannte Reichsbürger, der von der Bundesanwaltschaft vor Gericht angeklagt worden ist. Erst am Mittwoch hat ein anderer "Reichsbürger" bei einer Razzia in Reutlingen einen SEK-Beamten angeschossen.

BW-Innenminister begrüßt Urteil

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete das Urteil des OLG Stuttgart als "richtig und wichtig". "Wir gehen in Baden-Württemberg seit vielen Jahren konsequent und hart gegen Reichsbürger vor." Das sei ein staatsfeindliches, brandgefährliches und vor allem gewaltbereites Milieu, erklärte Strobl in einer Mitteilung am Freitag.

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