Klischeehafte Darstellung eines Brasilianers

Offenburger Verlag ändert Schulbuch und entschuldigt sich

Stand

Von Autor/in Ulf Seefeldt

Der Schulbuchverlag Mildenberger aus Offenburg hat Inhalte eines Schulbuches korrigiert. Es geht dabei um den Steckbrief eines Jungen aus Brasilien. Von dort gab es Proteste.

Wirbel um ein Schulbuch des Mildenberger Verlags aus Offenburg (Ortenaukreis): In dem Buch war ein Junge aus Brasilien abgebildet, der in einer Sprechblase erzählte: "Manchmal durchsuche ich morgens die Mülltonnen nach Essensresten. Nachmittags putze ich die Windschutzscheiben von Autos." Darüber waren offenbar viele Menschen irritiert. Vor allem von Brasilianerinnen und Brasilianern gab es kritische und zum Teil süffisante Kommentare in den sozialen Medien.

Brasilianer fühlen sich klischeehaft dargestellt

"Diese deutschsprachigen Bücher sind absurd. Ich habe in Berlin einen Integrationskurs gemacht und der war voller skurriler Stereotypen", schrieb etwa ein Nutzer auf der Plattform reddit. Und ein anderer: "Die Europäer denken, dass Brasilien nur ein Dschungel ist, dass wir von Bäumen springen, um zur Schule und zur Arbeit zu gehen."

Wir möchten uns aufrichtig bei der brasilianischen Community und allen betroffenen Leserinnen und Lesern entschuldigen.

Wie der Mildenberger Verlag dem SWR berichtet, gab es etliche Beschwerden - telefonisch und schriftlich. Dabei gebe es das Buch schon länger. Und es sei auch vom baden-württembergischen Kultusministerium genehmigt worden. Nach den Protesten hat der Verlag den Text aber jetzt geändert. Es gebe eine neue Version, die könne ab sofort heruntergeladen werden. Auf der korrigierten Seite erzählt der Junge nun, sein Lieblingsfach sei Sport und er spiele gerne Fußball.

Schulbuchseite mit dem Foto eines Jungen aus Brasilien, der in einer Sprechblase über seinen Alltag erzählt
Die nach Beschwerden korrigierte Seite aus dem Schulbuch des Mildenberger Verlags.

Offenburger Verlag entschuldigt sich via Instagram

Der Mildenberger Verlag hat sich inzwischen auf Instagram entschuldigt. Dort heißt es: "Es war niemals unsere Absicht, negative Stereotype oder eine einseitige Darstellung zu vermitteln. Es tut uns leid, dass dies dennoch passiert ist. Wir möchten uns aufrichtig entschuldigen." Das Ziel sei es, Kinder in ihrer Offenheit und in ihrem Respekt für eine vielfältige Welt und unterschiedliche Kulturen zu stärken.

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“Es gibt Editionswissenschaften, wenn ich die Texte wirklich so lesen will, wie sie ursprünglich erschienen sind, kann ich das machen”, sagt Aşkın-Hayat Doğan. Er ist professioneller Sensitivity Reader, jemand der Bücher mit Blick auf Stereotype und realistische Darstellungen lektoriert - immer nur als Vorschlag, nie als Vorschrift. “Literatur darf immer noch alles.” Aber er betont auch: “Literarische Originalität ist nicht wichtiger als die Verletzung, die der Text bei anderen anrichtet.”

Wenn es um Änderungen an bereits publizierten Texten geht, ist Jens Jessen, ehemaliger Literaturchef der ZEIT, kritischer: “Natürlich dürfen scheußliche Gestalten in Romanen oder Theaterstücken auftauchen. Auf die Spitze getrieben hieße das sonst, wir landen wieder bei einer strengen Zensur wie im 17. Jahrhundert.” Die Autor*innen hätten vor 100 oder 200 Jahren eben nicht so geklungen wie wir heute.

Also alles eine aufgeblasene Debatte oder doch ein Problem für die Kunstfreiheit? Hört rein und bildet euch selbst eine Meinung!

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