Ein Zeugnis Deutscher und Schweizer Musikautomaten-Industrie

Musikautomatenmuseum in Seewen: ein Kleinod in Grenznähe

Stand

Von Autor/in Laura Könsler

Ein Sammler hat in einem kleinen Dorf im schweizerischen Jura etwas Besonderes geschaffen: Ein Museum voll mit klingenden Exponaten - etwas für Auge und Ohr.

Das Musikautomatenmuseum in Seewen in der Nähe von Basel ist ein besonderes Kleinod. Es liegt in einem kleinen Ort auf einem Höhenrücken im Jura, umgeben von wunderbarer Natur. Das Museum gibt es in seiner jetzigen Form seit einem viertel Jahrhundert. Es beherbergt rund 1.400 Musikautomaten, von Vogelkäfigen mit Spieluhr bis zu großen Jahrmarktorgeln, auf denen sich Figuren kreisend zum Takt bewegen.

Museums-Rundgang mit Werkstatt-Atmosphäre

Johanna Schlemmer empfängt die Besuchergruppe. Sie dreht beharrlich im immer gleichen Tempo an einer Drehorgel. Hier, im ersten Saal, sind die Wände aus nacktem Holz. Ein langer Holztisch steht in der Mitte, ringsum einfache Drehstühle, an denen die Besucherinnen und Besucher Platz nehmen. Werkstattatmosphäre herrscht hier und Johanna Schlemmer erklärt den Besucherinnen und Besuchern die Grundlagen der Musikautomaten.

Das Musikautomatenmuseum in Seewen (Kanton Solothurn) ist ein Kleinod in der nordwestschweizer Museumslandschaft
Museumsführerin Johanna Schlemmer zeigt das Innere einer Schwarzwälder Flötenuhr: Orgelpfeifen aus Holz und eine Stiftwalze sorgen für die richtigen Töne. Angetrieben wird dieser Musikautomat durch Gewichte.

Sie führt eine Schwarzwälder Flötenuhr aus dem 19. Jahrhundert vor, gebaut von Johann Kaltenbach aus Neustadt. Das Gehäuse fehlt, das Innere ist freigelegt.
Anhand dieses Objekts zeigt sie den Besuchern, was es eigentlich braucht, damit ein Musikautomat von selbst erklingen kann. "Erstens benötigen wir einen Klangerzeuger. Bei diesem Objekt sind die 79 Orgelpfeifen aus Holz dafür zuständig. Zweitens benötigen wir einen Tonträger. Bei diesem Objekt haben wir dafür die Stiftwalze. Und drittens benötigen wir noch einen Antrieb. Bei diesem Objekt ist das der Gewichtsantrieb, die älteste Form des Antriebs", erklärt Kaltenbach.

Musikautomaten zum Zeitvertreib und Tanz

Später wurden die Automaten mit Federn - wie bei Uhren - und zuletzt elektrisch angetrieben. 20 Rappen kostete es beispielsweise damals, das Hupfeld Jazz Orchestrion zum Spielen zu bringen.

Musikautomaten mit Figuren, Clowns und ein Maler - sie bewegen sich, die Mechanik setzt Musik und Figur zeitgleich in Gang. Das Musikautomatenmuseum in Seewen (Kanton Solothurn) ist ein Kleinod in der nordwestschweizer Museumslandschaft
Musikautomaten mit Figuren, die sich zur Musik bewegen: Sie waren beliebt, um die Zeit zu vertreiben, beispielsweise in den Wartesälen von Bahnhöfe.

Doch viele der Musikautomaten im Museum sind nicht nur etwas zum Hören, sondern auch zum Sehen. Da macht ein Clown zur Musik einen Handstand, ein Mann trinkt aus einem Glas und rollt die Augen. Figurenautomaten dienten der Unterhaltung, weiß Museumsführerin Johanna Schlemmer: "Die Figurenautomaten bildeten einen großen Gegensatz zu dem grauen Fabrikalltag. Die Figurenautomatenbauer waren besonders angetan von künstlerischen, nostalgischen Motiven - besonders vom Zirkus." Figurenautomaten fand man laut Schlemmer in Bahnhöfen, aber auch in Schaufenstern der großen Geschäfte von Paris.

Das Musikautomatenmuseum in Seewen (Kanton Solothurn) ist ein Kleinod in der nordwestschweizer Museumslandschaft
Im blauen Salon: Ein Vogelkäfig macht Musik. Aber nicht die Vögel zwitschern, sondern die kleine Musikdose im Boden des Käfigs.

Der Blaue Salon des Museums - zu Hause bei reichen Bürgern

Nach dem Besuch der Werkstatt geht es in einen anderen schummrig beleuchteten Raum: der blaue Salon. Hier werden Musikdosen aus der Zeit zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ausgestellt. Manche sind so klein, dass sie in den Boden eines Vogelkäfigs passen. Andere sind so groß wie ein Koffer und standen früher wohl oft auf Kommoden in Wohnzimmern.

Das Musikautomatenmuseum in Seewen (Kanton Solothurn) ist ein Kleinod in der nordwestschweizer Museumslandschaft
Der Tanzsaal des Musikautomatenmuseums: Hier steht die Britannic-Orgel mit über 1.900 Orgelpfeifen. Eigentlich sollte sie auf das Schwesterschiff der Titanic, auf der Britannic, eingebaut werden. Doch dazu kam es nicht mehr.

Musikautomatenmuseum beherbergt die verschollen geglaubte Britannic-Orgel

Zuletzt führt Johanna Schlemmer die Gruppe in einen Tanzsaal, wo die Britannic-Orgel mit ihren über 1.900 Orgelpfeifen steht. Zum Vergleich: Eine mittelgroße Kirchenorgel hat etwa 300. Die Britannic-Orgel galt jahrelang als verschollen. Ursprünglich sollte sie auf dem Schwesterschiff der Titanic aufgebaut werden. Doch dazu kam es wegen des Ersten Weltkriegs nicht mehr.

Das Musikautomatenmuseum in Seewen (Kanton Solothurn) ist ein Kleinod in der nordwestschweizer Museumslandschaft
Das Museum ist nicht nur im Besitz der Britannic-Orgel. Auch über 1.000 Notenrollen konnte der Sammler und Museumsstifter Heinrich Weiss erwerben.

Die Sammlung des Musikautomatenmuseums geht zurück auf Heinrich Weiss. Er hatte sich schon früh für Mechanik interessiert. Als 30-Jähriger übernahm er die Druckerei seiner Schwiegereltern in Basel. Er führte sie erfolgreich und konnte so seine kostspielige Sammelleidenschaft finanzieren. Später baute er in Seewen sein abgebranntes Wohnhaus neu auf und schuf in einer Halle zugleich Platz für seine Musikautomaten.

Musikautomatenmuseum war Geschenk an den Schweizer Bund

"Das Museum in Seewen war ursprünglich ein privates Museum", sagt Christoph Hänggi. Er leitet das Musikautomatenmuseum in Seewen. Es wurde 1979 von Heinrich Weiss eröffnet. "Es ist dann ein staatliches Museum geworden, weil er das Museum und seine Sammlung der Schweiz geschenkt hat. Seither gehört das Museum zum Bundesamt für Kultur. Wir freuen uns, dass wir diese gesicherte Situation haben", erklärt Christoph Hänggi. Ein Glücksfall für die Schweiz und natürlich für die Besucherinnen und Besucher aus aller Welt, dem Elsass und aus Südbaden.

Das Musikautomatenmuseum in Seewen im Kanton Solothurn hat von Dienstag bis Sonntag von 11 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Die Teilnahme an einer Führung ist obligatorisch. Der Eintritt kostet für Erwachsene 18 Schweizer Franken, mit dem Museums-Pass-Musées ist der Eintritt frei.

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