Ein 30-Jähriger wurde wegen Mordes vom Landgericht Freiburg zu lebenslanger Haft verurteilt. (Foto: SWR, Jasmin Bergmann)

Landgericht Freiburg

Keine Verjährung: Stiefvater erst nach 20 Jahren wegen Missbrauchs vor Gericht

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Sebastian Bargon

Ein heute 55-jähriger Mann soll seinen Stiefsohn über Jahre sexuell missbraucht haben. Der Stiefsohn hatte die schwerwiegenden Vorwürfe erst an seinem 30. Geburtstag erhoben.

Der Angeklagte hatte von 1999 bis 2015 als Stiefvater mit dem Jungen und dessen Mutter sowie weiteren Kindern in einer Gemeinde im südlichen Markgräflerland gewohnt. Dabei soll er auch an der Erziehung des Jungen mitgewirkt haben. Ab dem Jahr 2003 soll der Mann den damals 12-jährigen Jungen zu sexuellen Handlungen veranlasst haben. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Missbrauch eines Schutzbefohlenen in 263 Fällen, darunter schwerer sexueller Missbrauch.

Staatsanwalt Thorsten Krapp in SWR4 Radio Südbaden zur Verjährung von Missbrauchsfällen:

Mutmaßliches Opfer erstattet als 30-Jähriger Anzeige gegen den Stiefvater

Erst vor zwei Jahren, an seinem 30. Geburtstag hatte der Stiefsohn die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Mann erhoben. Für Staatsanwalt Thorsten Krapp ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Betroffene so spät melden. Denn oftmals dauere es Jahre, bis sich Opfer von sexueller Gewalt trauten, über die Vorkommnisse zu sprechen, so Krapp. Deshalb habe der Gesetzgeber in den letzten 20 Jahren den Beginn der Verjährung immer weiter nach hinten geschoben. Inzwischen beginne die Verjährung - je nach Delikt - erst ab dem 30. Lebensjahr des Geschädigten.

Der Gesetzgeber hat den Beginn der Verjährung immer wieder nach hinten geschoben.

Angeklagter spricht von "normaler Vater-Sohn-Beziehung"

Zum Prozessbeginn am Montag hörte sich der 55-Jährige die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft konzentriert an. Sein Verteidiger verlas später ein Schreiben zur Sache. Demnach bestreitet der Beschuldigte alle Vorwürfe. Er sei fassungslos über die Anschuldigungen und sei niemals übergriffig geworden. Es sei eine normale Vater-Sohn Beziehung gewesen, so der Angeklagte. Er habe den Jungen immer unterstützt und könne sich die Unterstellungen nicht erklären.

Hinweise und Chatverläufe führen zu Tatverdacht der Staatsanwaltschaft

Bei der knapp dreistündigen Vernehmung des Stiefsohns war die Öffentlichkeit ausgeschlossen, um die Intimsphäre des heute 32-Jährigen zu schützen. Staatsanwalt Krapp sagte dem SWR, wie immer sei es auch in diesem Fall so, dass niemand Drittes bei den behaupteten oder mutmaßlichen Taten dabei gewesen sei. Es gebe dann zum einen die Aussage des mutmaßlichen Tatopfers und zum zweiten häufig "Hinweise aus der Umgebung, wie beispielsweise Chat-Verläufe, die jetzt dazu geführt haben, dass der hinreichende Tatverdacht für die Anklage-Erhebung und die Eröffnung des Hauptverfahrens bejaht worden sind."

Die Verhandlung wird am Donnerstag, 21.9., vor dem Freiburger Landgericht fortgesetzt. Ein Urteil wird Mitte Oktober erwartet.

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