Rheinland-Pfalz hat es getan, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt auch: Sie alle haben Luchse aus Gehegen ausgewildert, um die dauerhafte Rückkehr der Tiere in ihren Bundesländern zu sichern. Während in Rheinland-Pfalz wilde Luchse aus der Schweiz und Luchswaisen, die in speziellen Wildgehegen aufwuchsen, im Pfälzerwald ausgesetzt wurden, waren es im Nationalpark Harz Tiere, die in europäischen Zoos gezüchtet worden sind.
Baden-Württemberg ist in den vergangenen Jahren einen anderen Weg gegangen. Mit Rücksicht auf die Jäger im Land hat das Ministerium für Ländlichen Raum ganz auf die natürliche Rückkehr der Luchse gesetzt - vor allem aus der Schweiz, Rheinland-Pfalz und Bayern. Doch ohne Erfolg.
Bisher nur ein nachgewiesenes Wildtier
Es gab bisher nur einen einzigen genetischen Nachweis eines Luchsweibchens. Das war vergangenes Jahr im Landkreis Konstanz. Der Einwand der Wissenschaft, dass weibliche Luchse nicht so weit wandern, blieb lange ungehört. Erst im vergangenen Jahr gab es innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Luchs - in der alle Interessengruppen vertreten sind - eine inhaltliche Diskussion darüber, wie auch Baden-Württemberg zur aktiven Wiederansiedlung übergehe könnte. Wilde Luchsweibchen aus dem Ausland sollten endlich für Nachwuchs sorgen.
Und nun? Dem Land bleibt wohl nichts anderes übrig, als denselben Weg zu gehen, den die anderen Bundesländer mit Erfolg schon gegangen sind, die Luchse aus Gehegen auszuwildern.
Weibliche Luchse fehlen und sind schwer einzufangen
Mehrere Fachleute aus dem In- und Ausland haben dem SWR bestätigt, dass es keine andere Möglichkeit gebe, den Bestand der Luchse in Baden-Württemberg zu sichern. Aus verschiedenen Gründen: Zum einen weigern sich mittlerweile die Slowakei und Rumänien wildlebende Luchse an andere Länder abzugeben. Vor allem weibliche Luchse zu fangen, sei sehr aufwendig und wenig von Erfolg gekrönt, da diese nur in einem schmalen Zeitraum von Februar bis April eingefangen werden dürften, also nur in der Paarungszeit.
Ausland will eigene Population schützen
Zum anderen würde eine zu große Entnahme von Luchsweibchen den eigenen Bestand gefährden. Es hätte zu viele Anfragen aus Deutschland und anderen Ländern gegeben, ist zu hören.
Eine andere wichtige Rolle spielt die Genetik. Mittlerweile muss wohl sehr darauf geachtet werden, welche Tiere ausgesetzt werden, um keine geschwächten Inzuchtlinien zu bekommen. Dabei spielt vor allem der Zoo Zürich eine wichtige Rolle. Dort wird das sogenannte Zuchtbuch für den Eurasischen Luchs geführt.
Wird auch Baden-Württemberg züchten?
Ungeprüften Quellen zufolge soll auch Baden-Württemberg darüber nachdenken, Luchse zu züchten; wohl in Kooperation mit Rheinland-Pfalz. Prüft man im Internet, wer dafür infrage kommt, fallen vor allem zwei Einrichtungen mit viel Erfahrung auf. Zum einen der Karlsruher Zoo, der über die nötigen Auswilderungsgehege verfügt. Zoo-Direktor Matthias Reinschmidt hat schon öfter den Wunsch geäußert, dass seine Zoo-Luchse den Bestand im Schwarzwald sichern.
Zum anderen die Wildtierstation TIERART in Maßweiler (Landkreis Südwestpfalz) in Rheinland-Pfalz. Sie sind spezialisiert auf Aufzuchten von Wildtieren, ohne dass sich dabei die Tiere - zum Beispiel Wildkatzen - zu sehr an den Menschen gewöhnen. Aber all das ist spekulativ. Es zeigt jedoch, dass das Know-How in beiden Bundesländern vorhanden ist.
Fortbestand mit Gehege-Luchsen ist umstritten
So oder so, den Luchsbestand mit Gehege-Luchsen zu stärken, wird wohl Diskussionen hervorrufen. Vor allem Jäger fürchten um ihre Beute, da der Luchs vor allem Rehe schlägt. Doch Baden-Württemberg hat, wie gesagt, wohl gar keine andere Wahl. Die EU sitzt der Landesregierung wegen des Luchses im Nacken. Letztendlich kommen alle Akteurinnen und Akteure nicht an den wissenschaftlichen Erkenntnissen vorbei.