Auf der Anti-Corona-Demonstration am Samstag in Freiburg setzt sich ein Menschenzug in Gang. Die Vordersten halten ein gelbes Banner in die Höhe mit der Aufschrift "Nai hämmer gsait": dem Schlachtruf der Anti-Atom-Bewegung am Oberrhein. Viele tragen den Originalschriftzug auch als Pappschild am Körper.
"Ich finds ärgerlich, dass das einfach so kopiert wird. Ich habe da zwar kein Copyright, aber ich finde es nicht in Ordnung, dass man sich solche Sachen unter den Nagel reißt."
"Nai hämmer gsait" ist Symbol für Anti-AKW-Protest
Hubert Hoffmann aus Sölden ärgert sich darüber. Der 64-Jährige ist Urheber des berühmten Plakats mit dem Schriftzug "Nai hämmer gsait, kein Atomkraftwerk in Wyhl und anderswo" und dem rot durchgestrichenen Reaktor. Gestaltet hatte es der Hobbygrafiker vor fast 50 Jahren für den Widerstand gegen das damals geplante AKW in Wyhl am Kaiserstuhl. Das Plakat mit dem Spruch ist seither "das" Symbol des erfolgreichen Atomkraft-Protestes am Oberrhein bis hin zum Abschalten des Pannenreaktors von Fessenheim.
Verwendung bei Corona-Protest grenzt an Missbrauch
Dass Impfgegner aus dem Kaiserstuhl seinen Schriftzug nun zweckentfremden, grenzt für Hoffmann an Missbrauch. Auch Axel Mayer zeigt sich kritisch. Der langjährige Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Südlicher Oberrhein ist wie Hoffmann einer der Pioniere des damaligen Protestes. In jener Zeit hatte er das Plakat an unzählige Scheunentore getackert, eine Umwidmung für den Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen kann er nicht gutheißen.
"Man kann sich über die Begriffe wie Freiheit streiten, man kann sich streiten über eine Impfpflicht, da sind unterschiedliche Meinungen erlaubt, aber diese generelle Leugnung und die Nutzung des "Nai hämmer gsait"-Motivs dafür, das finde ich ärgerlich."

Protestierende: egoistische "Ichlinge"?
Der Geist der damaligen Wyhl-Bewegung sei gewesen, eine allgemeine Gefahr - nämlich die Risiken der Atomkraft - von der Gesellschaft abzuwenden. Das sei der große Unterschied zur jetzigen Protestbewegung. Trotz der vielen Corona-Opfer würden die Protestierenden nur an sich selbst denken. Mayer bezeichnet sie als "Ichlinge". Sie würden die Gesellschaft prägen. Dieser Egoismus sei aber nicht nur ein Problem der Corona-Proteste.
Freiheit zusammen mit Solidarität denken
Die Solidarität und das Gemeinwohl müsse wieder mehr in den Mittelpunkt rücken, findet Axel Mayer. Selbst wenn man für sich selbst das Impfen ablehne, müsse man doch auch an die Gefährdung der anderen denken, oder an die Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern. Es sei dringend notwendig, dass die Gesellschaft vorn ihrem "übertriebenen Egoismus" wegkomme. Auch Plakatmacher Hubert Hoffmann wünscht sich mehr Gemeinsinn. Er unterstütze es, sagt er, wenn mit dem "Nai hämmer gsait"-Slogan gegen Straßenprojekte oder Umweltzerstörung protestiert werde, bei der Corona-Kritik höre es aber auf.
"Da wird versucht, sich an was dranzuhängen, was hier wirklich eine breite Bewegung war, nämlich gegen Atomenergie, und so zu tun, als wären es die gleichen Leute."
Wie sehr die Anti-Atom- bzw die Umweltbewegung an den Corona-Protesten tatsächlich beteiligt sind, sei schwer zu sagen. Sowohl Hubert Hoffmann als auch Axel Mayer gehen von einer Minderheit aus. Aber der Riss, der gerade durch die Gesellschaft gehe, würde eben vor keiner Gruppe halt machen.