Kitas stehen vor einigen Herausforderungen, und die Corona-Pandemie hat die ohnehin schon angespannt Lage zusätzlich erschwert. "Schluss damit!", haben sich vor einem Jahr einige Erzieherinnen und Erzieher gedacht und den Verband Kita-Fachkräfte in Baden-Württemberg gegründet. Zeit für ein erstes Fazit. Anja Braekow aus Rheinfelden im Kreis Lörrach ist die Vorsitzende des Verbandes und hat mit SWR-Moderator Robert Wolf gesprochen.
SWR: Frau Braekow, warum brauchen wir einen solchen Verband?
Anja Braekow: Wir haben beschlossen, wir brauchen einen Verband, weil die Kita-Fachkräfte sehr oft übergangen werden in den Entscheidungen, in den Fragen. Wir bekommen Sachen vorgesetzt, die wir dann umsetzen müssen, die sich aber in die Praxis gar nicht umsetzen lassen. Wir haben uns zusammengetan, um an der Basis zu arbeiten, also die Rahmenbedingungen zu verändern. Das läuft einfach so schlecht, dass wir gesagt haben, wir müssen es selber machen.
Das Radio-Interview zum Nachhören:
SWR: Das Klischee, das mit Kita-Fachkräften verbunden ist, sind "kaffeetrinkende Basteltanten". Das haben Sie in einem Zeitungsinterview gesagt. Kämpfen Sie dagegen an?
Braekow: Ja, ganz entschieden. In den Kitas arbeiten wahnsinnig tolle Menschen. Wir haben Leute aus anderen Berufssparten, es sind nicht nur die vier Erzieherinnen, Kinderpfleger, Kinderpflegerinnen, die da arbeiten, sondern sehr, sehr viel mehr. Und dadurch, dass wir so degradiert werden, können wir unser Potenzial auch gar nicht mehr entfalten.
SWR: Was fordern Sie dann als Verband, um das alles zu verbessern?
Braekow: Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Wir brauchen einen viel besseren Personalschlüssel, größere Räume, mehr Gesundheitsschutz. Es gibt ganz viele Kitas, die schon sehr alt sind. Da gibt es zum Beispiel überhaupt keinen Lärmschutz. Dann müssen wir an der Ausbildung arbeiten. Und das Allerwichtigste ist die Zusammenarbeit: Die Träger wissen oftmals gar nicht, wie es in den Kitas so abgeht. Zum Beispiel haben wir Träger, Ansprechpartner, die überhaupt nicht aus dem Kitabereich kommen, die zum Beispiel BWL studiert haben und ganz toll mit Zahlen umgehen können, aber nicht wissen, was sich in den Kitas umsetzen lässt oder was nicht. Wir haben auch ganz viele religiöse Träger, also Kirchen. Da hat man dann zum Beispiel den Herr Pfarrer oder die Frau Pfarrer als Vorgesetzte. Sie kommen dann so dreimal im Jahr vorbei in den Kitas, aber haben nicht wirklich eine Ahnung, was wir brauchen.
SWR: Werden Sie als Verband ernst genommen?
Braekow: Wir sind sehr gut angekommen, auch bei der Politik. Als wir uns gegründet haben, war gleich der Wahlkampf. Wir haben uns relativ schnell den Politikern vorgestellt und durften auch bei den Koalitionsverhandlungen unsere ersten Forderungen mit eingeben. Da waren wir sehr überrascht. Wir haben inzwischen auch Ansprechpartner beim Kultusministerium. Wir sind beim Forum frühkindliche Bildung mit in den Fokusgruppen gewesen. Es geht uns nicht darum, zu meckern oder zu jammern, sondern wir sagen: "Hey, wir haben so einen tollen Job, und so viele Möglichkeiten, können mit den Kindern so wunderbare Arbeit leisten."
"Wir wollen gerne arbeiten, und wir wollen nicht nur aufbewahren."
SWR: Wie schafft man es denn, junge Menschen für diese doch sehr wichtige Aufgabe zu begeistern?
Braekow: Indem man die Arbeitsbedingungen verbessert. Wir müssen aufhören mit diesem "Augen zu und durch". Wir haben nicht wenige Bewerbungen für die Ausbildung. Dann kommen sie im ersten Jahr in das Orientierungsjahr. Sie sollen lernen, was in den Kitas abgeht, was zu der Arbeit gehört. Dort treffen sie auf erschöpfte pädagogische Fachkräfte. Und das ist ein Drama, denn dann denken sie möglicherweise: "So möchte ich vielleicht doch nicht arbeiten bis zur Rente." Das ist das Problem. Die Leute, die jetzt in den Kitas sind, müssen wir stärken und auch wieder begeistern für den Job. Denn die Eltern geben uns das Kostbarste, das sie haben.