Stellen Sie sich vor: Das Telefon klingelt und es lädt Sie jemand ein, über die Zukunft Europas mitzubestimmen. Das ist so absurd, dass wohl viele von uns gleich wieder auflegen würden. Die Freiburger Schriftstellerin Daniela Engist hat genau so einen Anruf erhalten und nicht gleich aufgelegt. Über die Arbeit im Bürgerforum Europa hat sie mit SWR-Moderator Robert Wolf gesprochen.
SWR: Frau Engist, wie war das, als der Anruf kam?
Daniela Engist: Als der Anruf kam und ich eingeladen wurde, habe ich das erst mal für einen Witzanruf gehalten. Eine freundliche Männerstimme sagte: "Sie wurden ausgewählt". Zuerst konnte ich das nicht ganz ernst nehmen. Der Mann war aber sehr freundlich und sprach dann immer weiter. Und während der so sprach, googelte ich dann nach dem entsprechenden Institut, von dem er sich vorgestellt hatte, und fing an, ihm zu glauben. Dann dachte ich: "Konferenz zur Zukunft Europas, das hört sich sehr groß an. Warum habe ich vorher nie davon gehört?" Und ich glaube das geht vielen Menschen so.
Das Radio-Interview zum Nachhören:
SWR: Was machen Sie in diesem Forum konkret?
Daniela Engist: Das ist wie bei einer riesengroßen Geschäftskonferenz. Sie werden mit Thesen und Input konfrontiert zu dem, was die EU schon zu bieten hat. Es gibt Input-Reden von Experten und dann werden zehn Kernthesen erarbeitet. Das ist sehr lustig, denn da sitzen Menschen aus allen Ländern und allen Schichten und sollen ein Papier erarbeiten.
SWR: 800 Menschen in diesem Forum - in der EU leben aktuell 447 Millionen Menschen. Wie repräsentativ ist das Forum denn?
Daniela Engist: Das ist eine gute Frage. Ich habe das selbst mal ausgerechnet: Auf 500.000 Einwohner kommt eine Person. Das ist wenig auf eine Art und dann doch wieder auch sehr viel. Weil es so etwas vorher ja gar nicht gab. Eigentlich ist der Prozess der eigentliche Wert. Ich glaube nicht, dass da große Thesen erarbeitet werden, die dann wirklich zu einer Veränderung führen.
SWR: Ich höre aus ihrer Stimmlage heraus, dass sie selber nicht so ganz wissen, was dieses Forum am Ende bezwecken soll. Ist das richtig?
Daniela Engist: Ja, aber ich habe da natürlich so eine gewisse Skepsis, was das Ganze betrifft.
SWR: Aber was ist denn so die Zielvorgabe? Sie haben schon gesagt, da sollen Thesen oder Papiere erarbeitet werden. Was passiert nach dem Forum?
Daniela Engist: Danach sollen diese Thesen in die Konferenz der Zukunft Europas einfließen. Diese Konferenz setzt sich aus verschiedenen europäischen Gremien zusammen. So soll mitbestimmt werden, wie die Zukunft Europas aussehen soll. Was da inhaltlicher Art Neues herauskommt, da bin ich skeptisch. Was den Unterschied macht, ist aber, dass die Bürger überhaupt beteiligt werden, dass sie überhaupt diskutieren, sie sich treffen. Da sind Menschen, die zum ersten Mal aus ihrem Land herausgekommen sind. Zum Beispiel eine alte Frau aus Zypern, die vollkommen ergriffen ist von allem, das da geschieht. Ich glaube, dass der Wert des ganzen in diesem Prozess liegt, nicht in den Papieren und in dem Output am Ende.