An der Universität Freiburg beträgt die Auslastung der Theologischen Fakultät gerade mal 28 Prozent. Zum Vergleich: Die Auslastung in der Philologischen Fakultät liegt bei 68 Prozent, bei der Technischen Fakultät sogar bei 124 Prozent. Die Erstsemestervorlesungen für Theologiestudierende finden deshalb nicht mehr im großen Vorlesungsaal statt, inzwischen reicht ein normaler Seminarraum. Der Professor für katholische Theologie, Magnus Striet, berichtet, dass sich immer weniger für das Fach Theologie einschreiben. In seiner Vorlesung sitzen manchmal nur 25 Erstsemester, vor zehn Jahren seien es noch bis zu 130 gewesen.
"Das macht mich schon betrübt. Ich befürchte, dass es die Theologie in ihrer bisherigen Form bald nicht mehr geben könnte.“
Situation an anderen Unis ähnlich
Auch in Tübingen sind die Studierendenzahlen der Katholischen Theologie in den letzten Jahren drastisch eingebrochen. Etwas weniger dramatisch ist die Situation bei der Evangelischen Theologie. In Heidelberg sind da die Zahlen sogar weitgehend konstant geblieben.
Katholische Theologie ist spannendes Lehrfach
Dass sich Magnus Striet hinsichtlich dieser Zahlen Sorgen um sein Lehrfach macht, liegt auf der Hand. Dabei habe es eigentlich so viel zu bieten, ist der Professor überzeugt. Zwar orientiere sich das Theologiestudium an kirchlichen Berufen, aber es vermittle Fähigkeiten, die auch für andere Berufsfelder qualifizieren würden, so Striet. "Ich frage mich schon, was es für die kulturelle Gegenwart unseres Landes bedeutet, wenn es immer weniger Deutungskompetenz auf dem Feld des Religiösen geben sollte. Gerade weil sich die Gesellschaft immer weiter pluralisiert und Religion keineswegs verschwindet, braucht es Menschen, die gesprächsfähig sind.“
Alle Einrichtungen der Katholischen Kirche müssen kämpfen
Nicht nur die Theologischen Fakultäten würden einen Schwund an Studierenden beklagen. Die sinkende Nachfrage betreffe alle Bildungsträger und Einrichtungen der katholischen Kirche. Striet beobachtet überall eine deutliche Abwärtsspirale. Diese hänge nicht nur, aber wesentlich mit den über lange Zeit vertuschten Skandalen in der katholischen Kirche zusammen, glaubt der Fundamentaltheologe, der auch Kommissionsleiter der Missbrauchsstudie des Erzbistums Freiburg ist.
"Der fehlende Nachwuchs wird sich aufgrund der langen Ausbildungszeiten erst in einigen Jahren bemerkbar machen, dann aber dramatisch."
Kirche ohne Vatikan als Lösung?
Also was tun? In Papst Franziskus habe er von Anfang an nur begrenzte Hoffnungen gesetzt und mit dem Verbot, Homosexuelle zu segnen, habe dieser endgültig eine wichtige Chance verpasst, bilanziert Striet. Überhaupt komme es ihm vor, als ob in Rom nur noch Chaos herrsche. Nach dem Tod des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. seien dort die Konflikte offen ausgebrochen.

"Was jetzt passieren müsste, ist, dass alle Bischöfe, die etwas verändern wollen, sagen, wir nehmen unsere Leitungsverantwortung wahr. Das Verhältnis von Universal- und Ortskirche ist neu auszutarieren."
Die Forderung nach einer pluralen Kirche würde in der Konsequenz eine katholische Kirche Deutschland ohne den Vatikan bedeuten. Das "innere Chisma“, meint Striet, existiere bereits. "Die innere Abwendung von sich als katholisch beschreibenden Menschen von römischen Lehrpositionen ist doch schon lange verbreitet. Inzwischen dokumentieren dies selbst Bischöfe. Autorität übe man nur dann aus, wenn man Kompetenz ausstrahlt, jedenfalls in liberalen Gesellschaften. Diesen Lernprozess werden auch römische Verantwortungsträger durchmachen müssen.“
Modellkirche "Rieselfeld"
Welchen Weg jene Katholiken gehen könnten, die nicht zufrieden sind mit ihren Entscheidungsträgern, zeigt ein Beispiel aus Freiburg. Der moderne Kirchenbau ohne sichtbaren Glockenturm im Stadtteil Rieselfeld könnte man als die in Beton gegossene Zukunft der Christinnen und Christen in Deutschland betrachten.
Gelebte Ökumene
Hier befinden sich zwei Kirchen unter einem Dach: Eine Katholische und eine Evangelische. Hier versucht man die gemeinsamen theologischen "Räume" mit kreativer Arbeit zu füllen und auszuloten, was geht, erklärt Sarah Weber, die Pastoralreferentin der katholischen Gemeinde. Seit zwei Jahren arbeiten die katholische und evangelische Gemeinde Maria Magdalena an einem gemeinsamen ökumenischen Gottesdienstablauf mit Brotritus. Man wolle sich nicht mit dem Vatikan anlegen, aber man frage sich, wie zeitgenössischer christlicher Glaube aussehen könne, erklärt Weber.
"Beim gemeinsamen Gottesdienst wird zum Beispiel das Brot zwar nicht geweiht, wie bei der katholischen Eucharistie, aber gesegnet. Darin erleben viele Menschen eine Stärkung für ihren Alltag.“
Christsein modern leben
Dabei will Weber ihren katholischen Glauben gar nicht verleugnen oder aufgeben. Aber das Christsein stehe im Vordergrund. Mit zwei verschiebbaren Wänden können die beiden Kirchenräume vom Mittelteil mit dem Taufbecken abgetrennt werden. Am Weihnachtsabend gibt es einen gemeinsamen Gottesdienst und an den Weihnachtsfeiertagen kann auf diese Weise jede Konfession nochmal für sich feiern.

Aber die Gottesdienste seien zweitrangig, sagt Weber. Die gemeinsame Zusammenarbeit vor Ort sei wichtiger für die Ökumene. Die soziale Arbeit und die Jugendarbeit zum Beispiel. Die Seelsorge, das Christsein. Zwar würden auch aus ihrer Gemeinde Menschen aus der Kirche austreten. Doch es sprächen sie auch Gläubige an, die ihr sagen, wenn es überall so wäre wie hier, wäre ich nie ausgetreten.
Mehr Ökumene wagen
Auch Professor Magnus Striet sieht darin eine Möglichkeit, die Zukunft der katholischen Kirche positiv zu gestalten. Er ist davon überzeugt, dass sich die Trennung in "katholisch" und "evangelisch" überholt hat. Die Ökumene werde sich durchsetzen. Viele Gläubige würden die konfessionellen Grenzen nicht mehr akzeptieren. Die theologischen Differenzen seien kaum noch bekannt, und wenn ja, dann würden sie nicht mehr akzeptiert.