Im Ortenberger Seniorenheim an der Straße "Obere Matt" werden die Bewohnerinnen und Bewohner seit einigen Wochen vom Hahn geweckt. Es ist ein Zwerghahn der Rasse Chabo, der um vier Uhr früh zu Krähen beginnt.
"Dem könnte ich den Kragen rumdrehen", kommentiert Ortenbergs älteste Einwohnerin Luise Wiegele den neuen Nachbarn. Allerdings schickt sie ein Augenzwinkern mit, denn das, was hier entstanden ist, gefällt der 100-jährigen Dame eigentlich ausgesprochen gut.
Ein Ort, der Menschen anzieht
Der Verein Soziales Netzwerk Ortenberg (SoNo) hat eine Wiese in einen Garten verwandelt, in dem inzwischen zehn Zwerghühner leben. Es gibt einen Hühnerstall, drum herum sind Sonnenblumen, Rosen und Hortensien gepflanzt.
Die Idee dazu hatte Sabine Reichertz, selbst rüstige Rentnerin, die vor wenigen Jahren aus Nordrhein-Westfalen zugezogen war. Sie fand das Umfeld des Seniorenheims zu trist und wollte einen Treffpunkt schaffen - nicht nur für die älteren Menschen.
Reichertz rückt jetzt mehrmals pro Woche mit Dosen voller Leckereien an, um den zehn Hühnern ein fürstliches Frühstück zu bereiten. "Da ist Dinkel drin, Emmer und Einkorn. Die drehe ich durch die Mühle, dann Wasser drauf, und vorher hatte ich eine Banane zerdrückt. Das ist schon lecker."
Gemeinsames Arbeiten schweißt zusammen
Im Wechsel kümmert sich eine Gruppe von Engagierten um die Tiere. Die Hühnerfreunde haben auch mehrere Hochbeete angelegt, in denen inzwischen der Lavendel blüht.

Einige Hundert Arbeitsstunden hätten die Aktiven investiert, schätzt Wilhelm von Ascheraden, Gründer des Sozialen Netzwerks Ortenberg. Er meint: "Wenn man miteinander hackt und schaufelt und gräbt und hämmert, das schweißt mehr zusammen, als wenn man nur am grünen Tisch sitzt und Ideen wälzt."
Ein Stück Dorf-Idylle kehrt zurück
Inzwischen hat sich um den Hühnergarten sogar ein Hühnerstammtisch gegründet. Alle drei Wochen trifft man sich dazu am großen Tisch unter der Pergola, gleich neben dem Hühnergehege.

Dass Ortenberg gleich neben der Kirche eine neue Dorfmitte bekommen hat, freut auch Bürgermeister Markus Vollmer. Die Hühnerhaltung mitten im Ort gebe Ortenberg ein bisschen von seinem dörflichen Charakter zurück, meint er. Im Laufe der Jahre sei der doch etwas verloren gegangen.
Der Hahn soll für Integration sorgen
Vom dörflichen Idyll sollen dann bald auch die Kleinsten im Ort profitieren. In der Nachbarschaft entsteht ein Kindergarten, für den der Hühnergarten ein willkommenes Ausflugsziel sein dürfte. Aus der Idee einer Neubürgerin ist so ein Generationen-übergreifendes Projekt geworden.
Nur auf Seiten der Hühner, da läuft es noch nicht ganz so rund. Die Tiere, die den Rassen Chabo und Sundheimer Zwerghuhn angehören, gehen sich bisher noch aus dem Weg. Es sei Aufgabe des Hahns, hier für Integration zu sorgen, meint Wilhelm von Ascheraden vom Verein SoNo. "Aber Hühner sind eben auch nur Menschen."