Rund 1.600 Menschen haben in Freiburg keine Wohnung. Sie leben bei Freunden, in Sozialeinrichtungen oder auf der Straße. Für Frauen bietet jetzt das Projekt "HILA - Housing-First für Frauen" Hilfe an - es stellt Frauen in Notsituationen eine eigene Wohnung zur Verfügung. Unter den betroffenen sind beispielsweise Frauen, die ihre Männer nach Gewalterfahrungen verlassen haben und dadurch wohnungslos geworden sind. Jedes Jahr sollen mindestens 15 Wohnungen an wohnungslose Frauen vermittelt werden. Das soll ihnen einen Neustart ermöglichen.
Mutter fand mit HILA bezahlbare Wohnung in Freiburg
Elvira R. (Name von der Redaktion geändert) gehört zu den ersten, die mithilfe des Projekts HILA eine Wohnung gefunden hat. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht öffentlich nennen. Die neue Wohnung soll ein Neustart sein für sie und ihren Sohn, sagt Elvira R. Sie kann sich immer noch gut an den Tag erinnern, als sie die Zusage für die Wohnung erhalten hat - unbefristet, drei Zimmer für 669 Euro mit neuem Boden.
Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen.
Zuvor hatte sie mit ihrem sechsjährigen Sohn unter schwierigen Bedingungen gelebt: Erst bei ihrer Mutter, dann kurzzeitig in einem Wohnheim. Die familiäre Situation sei belastend gewesen, erzählt sie. Ihr damaliger Ehemann sei gewalttätig geworden, weshalb sie die Polizei zur Hilfe holen musste. Während des sechsmonatigen Annäherungsverbots suchte sie im Internet nach Hilfe - und bewarb sich für HILA. Seit mehreren Wochen lebt sie jetzt mit ihrem Sohn in der neuen Wohnung. Damit sei ein Traum in Erfüllung gegangen, so Elvira R.
Wohnungen gehören einem Unternehmen
Das Diakonische Werk Freiburg und das Wohnungsunternehmen Vonovia arbeiten für "HILA - Housing First für Frauen" zusammen. Vonovia besitzt in der Region rund 2.500 Wohnungen. Von diesen sollen jedes Jahr mindestens 15 Stück an wohnungslose Frauen vermietet werden. Dafür haben Diakonie und Vonovia einen Kooperationsvertrag abgeschlossen.
Angelika Hägele, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Freiburg, erklärt die neue Initiative:
HILA-Projekt Freiburg: 20 Frauen auf der Warteliste
Im Januar hat das Projekt gestartet. 20 Frauen warten aktuell auf eine Wohnung. Drei Mietverträge wurden bereits ausgestellt, drei weitere sind in Vorbereitung. Die Mieterinnen erhalten unbefristete Mietverträge. Die Wohnungen befinden sich aktuell in den Freiburger-Stadtteilen Tiengen, St. Georgen, Weingarten und Haslach. Vor dem Bezug werden die Wohnungen saniert - erhalten beispielsweise neue Elektrik und neue Böden, wie Vonovia versichert. Um Neubauten handele es sich jedoch nicht.
Die Initiative soll verhindern, dass Frauen auf dem angespannten Wohnungsmarkt leer ausgehen und auf der Straße landen, so Angelika Hägele. Sie ist Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Freiburg. Die Frauen müssen keine komplexen Zwischenschritte gehen, bis sie Anspruch auf eine Wohnung haben, sondern bekommen "unkompliziert eine Wohnung", sagt Hägele.
Was ist Housing First?
Housing First-Programme gibt es auch in anderen Städten. Ursprünglich kommt der Ansatz aus den USA und wird bereits erfolgreich in Finnland und Österreich gegen Wohnungslosigkeit umgesetzt. In Deutschland verbreiten sich solche Programme seit 2018.
Housing First ist ein Ansatz, bei dem wohnungslose Menschen möglichst wenige Bedingungen erfüllen müssen, bevor sie eine Wohnung bekommen. Häufig leben sie davor bei Freunden, Bekannten oder in Sozialeinrichtungen. Der Grundgedanke der Housing First-Programme sei ein sicheres Zuhause, so Angelika Hägele. Das sei Voraussetzung für Stabilität und persönliche Weiterentwicklung.
Bei uns melden sich viele Mütter, die in ihrem Leben von häuslicher Gewalt betroffen sind und mit ihren Kindern ganz dringend auf eine Wohnung hoffen.
In Freiburg gibt es bereits zwei Housing First-Programme. Ein Projekt für wohnungslose Frauen in Notsituationen sei allerdings ein neuer Ansatz, sagt Angelika Hägele. In den vergangenen Jahren sei aufgefallen, dass unter den Wohnungssuchenden häufig Frauen seien, deren Lebenssituation durch Gewalt, Trennung oder das Scheitern auf dem überlasteten Wohnungsmarkt geprägt ist, betont Hägele.
Wie funktioniert HILA?
Die Frauen müssen nachweislich langfristig wohnungslos oder in akuter Not sein, aus Freiburg stammen und die Miete selbst bezahlen können. Das heißt, sie müssen sich um soziale Zuschüsse oder ähnliches selbst kümmern. Die Frauen werden in diesem Prozess vom Diakonischen Werk Freiburg begleitet. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter helfen dabei, Unterlagen zu ordnen, Wohnungsbesichtigungen zu organisieren und begleiten Gespräche mit Vermietern.
Housing First dürfe nicht der einzige Ansatz bleiben
Mit HILA gibt es in Freiburg nun drei Housing First-Projekte. Sie könnten den steigenden Bedarf an sozialem Wohnraum aber nicht allein decken, so Thomas Becker, der in der Ombudsstelle für wohnungslose Menschen in Freiburg arbeitet. Damit mehr wohnungslose Menschen langfristig eine Chance auf ein sicheres Zuhause erhalten, brauche es weitere Initiativen und eine enge Zusammenarbeit mit Anlaufstellen, wie Tagesstätten, Frauenhäusern und sozialen Trägern, sagt er.
Nur durch ein vernetztes Hilfesystem könne Wohnungslosigkeit wirksam und nachhaltig bekämpft werden, betont Becker. Die 15 zusätzlichen Wohnungen, die durch das HILA-Projekt jedes Jahr hinzukommen, seien ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung.