Die Schatten der Vergangenheit reisen immer mit, wenn Eva Mendelsson, geborene Cohn, ihre einstige Heimatstadt besucht. Trotzdem, so sagt sie, sei sie stets gern nach Offenburg gekommen. Dieses Mal allerdings ist sie bedrückt vom Krieg in der Ukraine. Was dort grade passiere, passiere nah an ihrem Herzen, sagt Eva Mendelsson.
Die heute 91-Jährige wohnt seit langem in Großbritannien. Geboren wurde sie aber in Gengenbach, und sie hat mit den Eltern und zwei Schwestern bis zu ihrem neunten Lebensjahr in Offenburg gelebt. Als der Holocaust begann wurde ein Teil der Familie nach Gurs deportiert, auch Eva Mendelsson. Ihre Mutter und eine Schwester ermordeten die Nazis später in Auschwitz.
Bundesverdienstkreuz für Erinnerungsarbeit
Vom Schicksal der Familie hat Eva Mendelsson immer wieder erzählt. Über Jahrzehnte ist sie nach Offenburg gekommen, um vor Schulklassen zu sprechen. Jetzt, 77 Jahre nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands und dem Ende des Zweiten Weltkriegs, hat sie den Weg noch einmal auf sich genommen, um zu erinnern.
Die Erinnerungsarbeit sei schwer, sagt sie. "Es ist ein Koffer, den ich nicht gerne öffne." Außerdem fehle ihr allmählich die Kraft. Es soll der letzte Besuch dieser Art sein.
Ausgerechnet jetzt aufzuhören, wo in Europa wieder Krieg herrscht, das fällt ihr allerdings nicht leicht. Denn vieles, was sie dieser Tage in den Medien sieht und hört, erinnert sie an ihr eigenes Schicksal. "Es ist so nah an meinem Herzen, was heute da drüben der Putin macht."
Kaum zu ertragen ist für die Holocaust-Überlebende zudem die Verbindung, die Russlands Präsident Putin in seiner Propaganda zwischen der Befreiung vom Nationalsozialismus und seinem Angriffskrieg zieht.
Die 91-jährige ist nicht sehr optimistisch, was die Zukunft Europas angeht. Ja, die Angst vor einem Dritten Weltkrieg ist groß bei ihr – so wie wohl bei vielen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Auf der anderen Seite geht ihr aber auch das Herz auf, wenn sie die aktuelle Hilfsbereitschaft sieht. Denn auch ihre Familie hatte in schweren Stunden Hilfe von anderen erfahren.
"Leute hatten meine Mutter aufgenommen in München", erzählt sie. "Sie hatten verstanden, dass wir einfach unschuldige Leute waren, die kein Heim mehr hatten, die Angst hatten."
Für ihre Erinnerungsarbeit ist Eva Mendelsson am Montag im Offenburger Salmen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.