Es ist kein Zufall, dass für das Modellprojekt Lenzkirch ausgesucht wurde. Die Gemeinde im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald hat zuletzt 2018 schmerzliche Erfahrung mit Hochwasser gemacht. Damals wurde die Haslach innerhalb kürzester Zeit zum reißenden Strom. Sie riss eine Brücke mit und richtete Schäden in Höhe von mehreren hunderttausend Euro an. Im selben Jahr wurde Lenzkirch noch ein weiteres Mal überschwemmt.
"Es war wirklich heftig, wie schnell das gekommen ist. Das Schmelzwasser vom Feldberg, dann der Starkregen - da ist halt alles zusammengekommen. Das Wasser ist so schnell angestiegen, das war fast unheimlich."
Es ist besonders die Kessellage im Hochschwarzwald, die Lenzkirch so Hochwasser-gefährdet macht. Regnet es viel in kurzer Zeit, dann können die Haslach und der Unterseebach schnell anschwellen. Beide fließen mitten durch den Ort. "Wir sind hier an der Quelle vieler Flüsse und Bäche und haben ganz wenig Vorlaufzeit", sagt Bürgermeister Andreas Graf (parteilos).
Pilotprojekt war in Lenzkirch äußerst willkommen
Kein Wunder also, dass die Schweizer Sensortechnik-Firma Endress und Hauser mit ihrem Pilotprojekt im Rathaus offene Türen einrannte. Schon 2020 hat sie die ersten Radarsensoren entlang von Haslach und Urseebach installiert. Die Lenzkircher Feuerwehr hat die Pegel seitdem genau im Blick.

Das Netz der Sensoren wurde ausgebaut
Jetzt geht das Projekt in die entscheidende Phase. Dabei, erklärt Clemens Haberstroh von Endress und Hauser, wurden nun auch die kleineren Bachzuläufe mit Messsonden bestückt. Weitere Geräte messen die Bodenfeuchte und die Regenintensität rund um Lenzkirch. Denn die zeigt an, wie viel Wasser der Boden noch aufnehmen kann. Doch all die gesammelten Daten - und das ist neu - sollen jetzt auch zusammengeführt und ausgewertet werden, um ein rasches Lagebild zu bekommen.
"Wir nutzen künstliche Intelligenz, um aus der Vielzahl der Messdaten Informationen über die Vorhersage der Pegelstände zu generieren. Es geht darum, die Vorlaufzeit zu erhöhen."
Je früher die Feuerwehr von den steigenden Pegeln weiß, umso früher kann sie reagieren. Dabei, weiß Andreas Wangler, können bei Starkregen manchmal Minuten entscheidend sein. Dann können im Zweifel Häuser rechtzeitig evakuiert und Sandsäcke aufgstapelt werden. "Wenn wir hier ein Warnsystem haben, dann ist das sicherlich ein wesentlicher Vorteil", sagt der Feuerwehrmann.

Feuerwehrleute bekommen die Messdaten aufs Handy
Die Messwerte der Sensoren bekommen die Feuerwehrleute jetzt direkt auf ihr Handy. So konnten sie bereits 2020 stark steigende Pegel frühzeitig erkennen und sich wappnen. So schlimm wie 2018 kam es aber damals zum Glück nicht. Parallel erproben Clemens Haberstroh und seine Kollegen ein System, das alle Daten intelligent verknüpft und so im Idealfall rechtzeitig vor Ausnahmesituationen warnen kann. Etwa, wenn ein Unwetter auf gefrorene oder ausgetrocknete Böden trifft und das Regenwasser nicht versickern kann.
Ein Frühwarnsystem könnte Flutschäden verringern
Viele Städte und Gemeinden dürften das Lenzkircher Pilotprojekt mit Interesse verfolgen - erst recht seit der Katastrophe im Ahrtal und den angrenzenden Regionen. Ein echtes Hochwasserfrühwarnsystem könnte helfen, die Schäden einer Starkregenflut zu verringern. Bis Ende des Jahres erhofft man sich im Hochschwarzwald, diesem Ziel wieder ein Stück näher zu sein.