Als der Krieg in der Ukraine begann, bekam Jürgen Braun die Nachricht auf sein Handy. "Wir brauchen Hilfe" hieß es da, "Ich muss an die Front", schreibt der damalige sportliche Gegner, ein Gewichtheber aus der Ukraine. "Kannst Du bei Dir meine Frau und meine Tochter aufnehmen?" Jürgen Braun antwortet mit Taten: Sofort räumte er sein Homeoffice aus, stellt Bett und Liegen bereit. Frau und Kind seines Sportsfreundes Igor Tomtchenko flohen aus Kiew in Richtung Bräunlingen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Sie sind am Donnerstagnachmittag noch nicht angekommen, versuchen sich in Richtung der polnischen Grenze durchzuschlagen.
SWR-Moderator Matthias Schlott im Gespräch mit Initiator Jürgen Braun:
Von der Idee zur Hilfsaktion
Jürgen Braun ist nicht nur Gewichtheber, sondern auch Anwalt. Seine Sache ist es nicht, klein zu denken. In seinem Whatsapp-Status liest man die Worte "Immer 110 Prozent". So geht er auch die Hilfe für die Ukraine an. Innerhalb kürzester Zeit richtet er ein Spendenkonto ein und stellt den Hilferuf auf die Seite des Baden-Württembergischen Gewichtheber-Verbands. 180 Frauen und Kinder will er aus der Ukraine in Sicherheit bringen.
"Meine Anwaltskanzlei liegt brach, ich mache seit Tagen nichts anderes mehr, als Ukraine-Hilfe zu organisieren."
Er fragt im Bekanntenkreis, sucht Menschen, die bereit sind, Flüchtende aufzunehmen. Und wie so oft in diesen Tagen: die Hilfsbereitschaft ist enorm.
Privatleute stellen Zimmer und Wohnungen zur Verfügung
Nicht viel später teilt er die Idee in seinem Netzwerk, auf der Homepage des Baden-Württembergischen Gewichtheber-Verbands. Sofort melden sich weitere Menschen, die helfen wollen. Hunderte sind bereit, Flüchtende aufzunehmen. Die Hilfsangebote sind ganz konkret und enorm großzügig. Ein Vermieter, zum Beispiel, meldete sich: Er habe gerade eine Vier-Zimmer-Wohnung renoviert und wollte diese eigentlich vermieten. Nun würde er die Wohnung gerne den Flüchtenden zur Verfügung stellen.
Privatleute und Firmen spenden Geld und Hilfe
Im Schwarzwald machen Menschen aus der ganzen Welt gerne Urlaub. Viele Einheimische bieten privat Ferienwohnungen und Appartements an. Im Schwarzwald-Baar-Kreis und im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald finden sich innerhalb weniger Tage Unterkünfte für 180 Menschen. Die Flüchtenden müssen nur noch an der Grenze abgeholt und so schnell wie möglich in Sicherheit gebracht werden. Jürgen Braun besorgt drei Busse, samt Fahrer und Dolmetscher.
Unterwegs an die polnische Grenze
Freitagmorgen soll es losgehen, um 7 Uhr ab Kirchzarten, dann über Bräunlingen und Stuttgart in Richtung polnisch-ukrainische Grenze. Die Busse samt Fahrer stellen Unternehmen zur Verfügung, die Fahrtkosten werden über Spenden finanziert. 20 bis 24 Stunden Fahrt sind eingeplant. Eine lange Reise durch halb Europa. Die Frauen und Kinder sollen hier im Schwarzwald zur Ruhe kommen und sind von Herzen willkommen, heißt es. Dank eines starken Mannes, der nicht nur Gewichte stemmen kann sondern auch große Projekte. Und es geht weiter: Nächste Woche sollen noch einmal vier Busse Richtung Grenze fahren und Flüchtende nach Südbaden bringen.