Vor 77 Jahren, am 27. Januar 1945, befreiten sowjetische Soldaten das NS-Vernichtungslager Auschwitz. In dem Lagerkomplex 60 Kilometer westlich von Krakau wurden mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder in Gaskammern getötet, erschossen oder durch Zwangsarbeit und Hunger in den Tod getrieben. Die meisten der Opfer waren Juden. Auch 80.000 nicht-jüdische Polen, 25.000 Sinti und Roma sowie 20.000 sowjetische Soldaten wurden in dem Lager getötet.
Auschwitz: Symbol für Völkermord und Rassenwahn
Auschwitz ist zum Symbol geworden für Holocaust und Schoah, dem nationalsozialistischen Völkermord. In Deutschland wird in vielen Städten der Opfer des Rassenwahns gedacht, so auch jedes Jahr in Freiburg mit einer Gedenkveranstaltung der Stadt und dem SWR Studio Freiburg.

Schicksal "asozialer" Verfolgter steht im Mittelpunkt
Die Veranstaltung fand in diesem Jahr wieder als Präsenzveranstaltung statt, aus Platzgründen im Bürgerhaus am Seepark. Am Auschwitz-Gedenken in Freiburg wurde die Verfolgung von Sinti und Roma und sogenannten Asozialen problematisiert, Opfergruppen die bisher wenig Beachtung fanden im politischen Diskurs und der Erinnerungskultur. Gerade in Freiburg und in anderen badischen Städten und Dörfern begann die Verfolgung von Sinti und Roma und sogenannten Asozialen sehr früh in den 1930er Jahren. Als asozial wurden Menschen eingestuft, die keinen festen Arbeitsplatz oder Wohnsitz hatten, in Armut lebten und damit als eine Gefahr angesehen wurden für den "reinen Deutschen Volkskörper". Fremdartiges Aussehen, ein Leben auf der Straße, Fahrendes Volk - sie wurden zu "Zigeunern" erklärt - eine Minderheit, die schon seit Jahrhunderten verfolgt wurde in Europa.
Vorträge und Dokumentationen zu Verfolgung in Freiburg
Tomas Wald vom Roma Büro und der Historiker Heiko Haumann machten am Donnerstagabend deutlich, wie in Freiburg systematisch diese Menschen kriminalisiert, gequält und in die Vernichtungslager getrieben wurden. Die Menschen wurden als angebliche Gefahr für die Öffentliche Ordnung verfolgt und waren einem gnadenlosen System von Polizei, Behörden und Ärzten ausgeliefert. Freiburg wollte besonders "vorbildlich" sein gegenüber den Machthabern in Berlin, was sich noch heute in den Archiven nachweisen lässt. Freiburg war besonders eifrig, wenn es darum ging, die Stadt "von solchen Elementen zu säubern", wie es damals in der menschenverachtenden Sprache der Nationalsozialisten ausgedrückt wurde.
Sinti und Roma zu Tausenden unfruchtbar gemacht
Wie in anderen Regionen wurden Sinti und Roma und die sogenannten Asozialen an den Standrand in Lager oder Baracken verbannt. Auch ihr Erbgut durfte nicht weiter existieren, weshalb wurden die Menschen unfruchtbar gemacht – zu Tausenden. Baden war zudem auch der erste Gau in Deutschland, der der Polizei die Befugnis gab, Angehörige von Minderheiten ohne richterliche Entscheidung abzuschieben. Wald und Haumann legten auch offen, wie die Behörden sich damit rühmten, Kosten für die Wohlfahrt einzusparen. Menschen, die Unterstützung benötigten, wurden in den Tod getrieben – "unwertes Leben" vernichtet. Bei ihren Vorträgen wurde es sehr still am Donnerstagabend beim Auschwitz-Gedenken im Bürgerhaus am Seepark.
Viele Täter blieben auch nach 1945 in ihren Ämtern
Szenen aus einem Film des damaligen Südwestfunks (SWF) aus den 1960er Jahren zeigten, dass sich die Ausgrenzung der Sinti und Roma und der armen Menschen in Freiburg um Umgebung nach 1945 fortsetze. Viele Täter blieben nach der NS-Zeit in ihren Ämtern und machten weiter Karriere. Auch das haben Wald und Haumann mehrfach problematisiert. Vorausgegangen waren umfangreiche Recherchen in den Archiven von Land und Stadt, wobei die Materiallage lückenhaft ist. Akten sind verbrannt oder verschwunden, wofür die Gründe im Dunkeln liegen.
Auschwitz-Gedenken: Mahnung für Umgang mit Minderheiten
Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach sagte, die Veranstaltung verstehe sich auch als Mahnung für den Umgang mit Minderheiten in der heutigen Zeit. Das Auschwitz-Gedenken in Freiburg wird von Organisationen vorbereitet, die sich der Erinnerungskultur verpflichtet sehen. Sie legen jeweils für den 27. Januar die Thematik der Veranstaltung fest, die von der Stadt Freiburg und dem SWR Studio Freiburg getragen wird.
Appell gegen Verharmlosung und Banalisierung von Völkermord
Die regionale Arbeitsgruppe "Gegen Vergessen – Für Demokratie" in Südbaden hat sich anlässlich des Auschwitz-Gedenktags gegen jede Verharmlosung und Banalisierung des Völkermords gewandt. Die Arbeitsgruppe hat alle Menschen aufgefordert, ihr Recht auf Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht wahrzunehmen, sich aber deutlich abzugrenzen von der Ideologie der Nationalsozialisten.
"Wer heute bei Demonstrationen gegen eine allgemeine Impfflicht den Völkermord mit dem Kampf gegen die Pandemie gleichsetzt, offenbart nicht nur schreckliche Geschichtsblindheit, sondern er schändet das Gedenken an die Millionen von Toten, die den Verbrechen der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind."
Gedenken auch in anderen südbadischen Kommunen
Auch andere Kommunen in Südbaden haben in verschiedenen Formen der Opfer der Nazis gedacht. In Müllheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) beispielsweise hat der Friedensrat Markgräflerland bereits am Sonntag eine Gedenkveranstaltung abgehalten. Am jüdischen Friedhof wurden dabei unter anderem Bilder von Kindern aus Müllheim und Badenweiler gezeigt, die von den Nazis nach Auschwitz deportiert worden waren.
Stadt Lörrach veröffentlich animiertes Comic
Weil es immer schwieriger wird, noch Zeitzeugen zu finden, erinnert die Stadt Lörrach mit einem animierten Comic an NS-Verbrechen in Lörrach. In einer vierminütigen Bildergeschichte, die die Stadt auf ihrer Homepage veröffentlicht, wird die Geschichte der Lörracher Schülerin Anna Denz erzählt. Sie und ihre Eltern hatten sich dem NS-Regime widersetzt: Anna Denz gehörte den Zeugen Jehovas an, sie schmuggelte religiöse Schriften aus der Schweiz nach Lörrach und wurde dabei erwischt. Anna Denz überlebte - ihre Eltern wurden Opfer des NS-Terrors und kamen ins KZ. Das animierte Comic wurde von der Stadt Lörrach mitfinanziert und stammt von der Bildungsstätte "Lernort Kislau", die auf dem Gelände des ehemaligen badischen Konzentrationslagers Kislau liegt.
Kippenheimer Jüdin hält Gedenkrede im Bundestag
Inge Auerbacher, eine in Kippenheim (Ortenaukreis) geborene Jüdin, hat anlässlich des Holocaust-Gedenktags vor dem Deutschen Bundestag die Gedenkrede gehalten. Inge Auerbacher wurde 1934 als letztes jüdisches Kind in Kippenheim geboren. Als junges Mädchen erlebte sie die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Im Alter von sieben Jahren wurde sie mit ihren Eltern deportiert und kam für mehrere Jahre ins KZ Theresienstadt - sie überlebte. Ihre Erlebnisse während des Holocaust hat sie in Gedichten und Geschichten thematisiert. Inzwischen lebt sie in den USA. Zum Holocaust-Gedenktag 2019 hat Inge Auerbacher bereits vor der UNO gesprochen. Immer wieder kehrt sie aber auch in ihre frühere Heimat zurück und hält an Schulen Vorträge über ihr Schicksal und ihr Überleben im KZ. Für ihr Engagement als "Botschafterin der Versöhnung, der Toleranz und des Friedens" wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg. Am Mittwochabend vor ihrer Rede im Bundestag war sie im ZDF bei "Markus Lanz" zu Gast und schilderte dort ihre Geschichte. Sie erzählte auch, bei Vorträgen oder Gesprächen würden viele nach dem Vergeben fragen.
"Denen, die die bösen Sachen gemacht haben, die Erschießungen, das Gas reingeleitet haben - also den richtigen Tätern - kann ich nicht vergeben. Der liebe Gott kann das machen, aber ich nicht."
Außerdem sprach sie über ihre Mission. Das sagte sie: "Wir müssen zusammenleben, andere Lebensarten schätzen. Wir sind nicht alle gleich, aber wir haben alle rotes Blut." Sie lebe zum Beispiel im New Yorker Stadtteil Queens, wo viele Menschen verschiedener Religionen eng und friedlich zusammenlebten.