
Wenn es irgendwann nicht mehr geht, das Alleinleben in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus, dann ist für die meisten alten Menschen das Pflegeheim der einzige Ausweg. Wünschen tun sich viele aber etwas anderes - einen Lebensabend im Familienkreis zum Beispiel.
Mit 90 in ein neues Leben
Im Ortenaukreis und im Landkreis Emmendingen kann ein solcher Wunsch in Erfüllung gehen - auch für Seniorinnen und Senioren, die keine Kinder oder Angehörigen haben. Ein Unternehmen namens "Herbstzeit" vermittelt hier alte Menschen in Gastfamilien. Die 90-jährige Dorothea Hoppe hat so ein neues Zuhause bei Familie Volk in Schwanau gefunden.

Noch vor gut einem Jahr hatte Dorothea Hoppe schwer krank und ganz allein in einem großen Haus in Lahr-Reichenbach gelebt. Essen, das ihr geliefert wurde, ließ die an Demenz leidende Dame, einfach vor der Tür stehen. Sie war völlig abgemagert, wog noch 48 Kilo. Eine Betreuerin nahm schließlich Kontakt zum Unternehmen "Herbstzeit" auf - einem Fachdienst, der seit einigen Jahren alte Menschen in Gastfamilien unterbringt.
Auswahl mit Fingerspitzengefühl
Für Dorothea Hoppe war das die Rettung. Sie erinnert sich allerdings, dass sie ihr Haus damals Hals über Kopf verlassen musste.
"Da hab ich einen Koffer stehen sehen und Schuhe. Und dann haben sie gesagt: Kommen Sie, nehmen Sie die Koffer und los geht's!"
Was für die alte Dame sehr plötzlich kam, war tatsächlich sorgfältig vorbereitet. Denn laut Heike Schaal, Geschäftsführerin von "Herbstzeit", wird bei der Auswahl einer Familie für einen alten Menschen sehr genau geschaut, ob Gast und Familie auch zueinander passen.
"Die Familien lernen wir kennen. Erst im Büro und dann machen wir mindestens einen Hausbesuch", sagt Heike Schaal. Die Wohnbedingungen seien wichtig, etwa, ob es Treppen gibt oder einen Garten. Ganz wichtig sei aber auch die Personlichkeit. "Nicht jeder mag umsorgt und geknuddelt werden. Mancher möchte gar nicht so sehr engen Kontakt."
Professionelle Beratung für Familien
Bei Dorothea Hoppe und ihrer Pflegefamilie hatten die Experten von "Herbstzeit" augenscheinlich das richtige Gespür. Die alte Dame, die bei ihrer Ankunft völlig abgemagert war, hat inzwischen mehr als zehn Kilo zugenommen. Sie sieht sehr gepflegt aus, hat sich Augen und Lippen geschminkt. Und sie wirkt trotz schwerer Krankheit zufrieden.

"Frau Hoppe gehört zur Familie dazu", sagt Britta Volk. Sie nehme die alte Dame nach Möglichkeit überall mit hin, denn die liebe es unter Leuten zu sein.
Zur Pflege von Frau Hoppe gehören allerdings auch unangenehme Aufgaben, und an die musste sich Britta Volk erst gewöhnen. Professionelle Beratung war da wichtig und die Gewissheit, bei Schwierigkeiten nicht allein da zu stehen. Auch dafür sorgen die Experten von "Herbstzeit".
Herbstzeit übernimmt auch Kontrollfunktion
"Wir müssen immer gucken, ob die Familie die Pflege noch erbringen kann und der alte Mensch noch gut versorgt ist", sagt Heike Schaal. Sonst werde ein Pflegedienst dazu geholt, eine andere Familie oder im schlimmsten Fall doch ein Platz im Pflegeheim gesucht. Steigt der Pflegebedarf, hilft "Herbstzeit" außerdem dabei, eine Änderung des Pflegegrades anzustoßen. "Wir versuchen, den Familien da den Rücken frei zu halten", so Heike Schaal.
Pflegefamilien erhalten Betreuungsgeld
Für die Betreuung, Unterbringung und Verkostung der alten Menschen bekommen die Familien etwa 1.000 Euro. Zusatzlich erhalten sie Pflegegeld in unterschiedlicher Höhe. "Unsere Familien haben außerdem Anspruch auf 28 Tage Bewohner-freie Zeit", so Heike Schaal. Während dessen würden die alten Menschen anderweitig untergebracht.
Das Modell der Pflege in Familien hat "Herbstzeit" inzwischen im Ortenaukreis und im Landkreis Emmendingen etabliert. Etwa 45 Personen werden aktuell betreut. Familien, Paare oder Einzelpersonen, die jemanden aufnehmen möchten, bräuchten ein freies Zimmer und entsprechende Sozialkompetenz. Pflege-Vorerfahrung sei keine Voraussetzung, auch wenn fast alle Pflegefamilien die mitbrächten, so Heike Schaal.