"Darf's ein bissle mehr sein?" - diese Frage hören Kundinnen und Kunden in der Freiburger Metzgerei Pum nicht mehr so oft. Denn Wurst, Schinken und Salami gibt es dort jetzt nur noch fertig abgepackt - in der Selbstbedienungstheke. Die vakuumierten Packungen sind etikettiert und fein-säuberlich in die Auslage drapiert. Für die Kunden der Feinkost-Metzgerei gewöhnungsbedürftig.
Eine SB-Theke in der Metzgerei - gewöhnungsbedürftig für die Kunden
"Eigentlich ganz ansprechend, man hat sehr viel Auswahl", urteilt Lisa Spiga. "Mit Bedienung fand ich es immer angenehmer", sagt Günter Neußer und fischt sich einen Topf Fleischsalat aus der Theke. Doch Verkäuferinnen und Verkäufer gibt es auch weiterhin in der Metzgerei. Beraten wird nach wie vor und Sonderwünsche werden natürlich erfüllt. Und an der Fleischtheke ist sowieso alles beim Alten. Hier werden Schnitzel und Rippchen weiter frisch geschnitten.
Warum also jetzt Selbstbedienung an der Wursttheke? Weil die besonders arbeitsintensiv ist und der Metzgerei chronisch das Personal fehlt - so wie überall.
In Baden-Württemberg fehlen Fachkräfte und Auszubildende
Mindestens eine zusätzliche Verkaufskraft bräuchten sie allein für die Wursttheke, sagt Angela Vogel-Pum. Am besten noch einen Auszubildenden oder eine Auszubildende dazu. Doch sie finden weder Mitarbeiter noch Nachwuchs. Nicht mal Quereinsteiger, obwohl sie schon seit Jahren händeringend suchen. Damit sind sie nicht allein: Laut der Bundesagentur für Arbeit waren im baden-württembergischen Fleischerhandwerk im Juni etwa 1.000 Stellen unbesetzt. Von den rund 1.500 Ausbildungsplätzen ist gerade mal jeder dritte besetzt.
Jürgen Pum hat schon alles versucht. "Wir bekommen keine Lehrlinge. Und die Lehrlinge, die bei uns anfangen, sind entweder nicht geeignet oder sie hören wieder auf."
Deshalb jetzt der radikale Umbau, schweren Herzens. Doch sonst hätten sie die Metzgerei mit ihren fünf Angestellten vielleicht schließen müssen. Arbeitsaufwand und Gewinn standen kaum noch im Verhältnis zueinander, sagt Jürgen Pum. Weil die Metzgerei nicht ihr einziges Standbein ist - sie betreiben noch einen Catering-Service - haben sie den Schritt mit der SB-Theke gewagt.
Macht das Freiburger Selbstbedienungsmodell Schule?
Vier Wochen nach dem Start sind sie überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war. "Wir sind jetzt etwas entspannter und können uns für viele Dinge mehr Zeit nehmen", freut sich Angela Vogel-Pum, zum Beispiel für die Beratung. Die ist und bleibt natürlich wichtig für ein Fachgeschäft. Die Reaktion der Kundinnen und Kunden sei insgesamt sehr positiv, versichern die beiden Inhaber. Läuft das SB-Experiment weiter gut, könnte das Freiburger Modell möglicherweise bald Schule machen.
Innovationen gegenüber offen
Die Metzgerei Pum zeigte sich auch in der Vergangenheit innovationsfreudig. Vor der Tür gibt es ein anderes Selbstbedienungsmodell, und zwar einen Automaten. Dort bekommen Kundinnnen und Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten rund um die Uhr Fleisch und Wurst. Zudem war der Laden einer der ersten in Freiburg, der Bezahlautomaten eingeführt hat.