Sandra Müller vom Bestattungsinstitut Müller in Freiburg führt durch ihren Betrieb. Vor der Kühlkammer bleibt sie stehen. Darin liegt auch eine Person, die an Corona verstorben ist. Sie war, erzählt die Betriebsleiterin, gerade mal um die 50. Der Sarg dürfe nicht mehr geöffnet werden - aus Infektionsschutzgründen.
"Es ist leider so, dass wir keine offenen Aufbahrungen anbieten können, dass wir die Verstorbenen in den Kliniken schon in diesen Bodybags holen. Die sind verschlossenen, und dadurch ist das Abschiednehmen am offenen Sarg nicht mehr möglich."

Abschiednehmen bei geschlossenem Sarg
Das sei oft bitter für Familie und Freundeskreis, so die Bestatterin. Den Angehörigen würde es oft schwer fallen, das zu akzeptieren. "Es sind Gefühle im Spiel. Manchmal hat man ja das intensive Bedürfnis, zu dieser Person zu gehen. Und wir müssen das verweigern, was für uns natürlich auch schwer ist." Denn normalerweise bietet das Bestattungsinstitut eine Aufbahrung an, damit die Trauernden in Ruhe Abschied von der geliebten Person nehmen können. Dass dieses wichtige Ritual bei Corona-Verstorbenen wegfällt, belaste die tägliche Arbeit sehr, so Müller.
Angehörige in der Regel verständnisvoll
Ähnliches berichtet auch Martin Bornhauser, der Leiter der Freiburger Friedhöfe. Allein die Tatsache, dass die Mitarbeitenden Schutzkleidung statt schwarzem Anzug tragen müssten, wenn sie den Leichnam abholen, sei bedrückend. Trotz allem hätten die Hinterbliebenen dafür aber in der Regel Verständnis.
"Es ist für unsere Mitarbeitenden schwierig zu erklären: Sie müssen jetzt leider hier Abschied nehmen, eine Aufbahrung können wir nicht vornehmen. Es ist nicht schön, es ist nicht pietätvoll, aber wir müssen es in dieser Phase jetzt leider so machen."

Ein Stück Bestattungskultur geht verloren
Für Jörg Wegner, stellvertretender Dekan der evangelischen Kirche in Freiburg, ist es bedauerlich, dass Corona den Menschen die Möglichkeit nimmt, die Verstorbenen noch einmal zu sehen. Er fühlt sich an vergangene Zeiten erinnert. Denn das Ritual des Aufbahrens habe erst in den letzten Jahren wieder eine Renaissance erlebt. Diese Bestattungskultur würde nun durch Corona einen Rückschritt erleiden, berichtet der Seelsorger.
"Das ist praktisch ein Rückfall in die 70-er Jahre, wo es so etwas wie Aufbahrung kaum gab. Da sagte man, schnell fort mit den Verstorbenen, man wollte das Thema verdrängen."
Tabuthema: Covid als Todesursache
Aber nicht nur der verschlossene Sarg vergrößere den Schmerz über den Verlust eines nahen Menschen. Hinzu komme: Die Hinterbliebenen würden die Todesursache oft totschweigen. Dass eine Corona-Infektion, also eine Seuche, zum Tod geführt habe, sei ein Tabuthema, beobachtet Wegner. Dadurch würde aber der Trauerprozess zusätzlich erschwert. Er biete den Trauernden deshalb an, stellvertretend auszusprechen, was zum Tod geführt habe. Ein Angebot, das oft dankbar angenommen werde, so der evangelische Seelsorger.
Zahl der Corona-Toten könnte bald steigen
Aktuell halten sich die Bestattungen von Corona-Toten in Freiburg noch in Grenzen. In den letzten vier Tagen wurden im Krematorium 20 Leichname verbrannt, zwei davon waren Covid-Verstorbene, berichtet Friedhofsleiter Martin Bornhauser. Sollte sich die Situation ändern, könnte man die Kapazität am Krematorium hochfahren. Bestatterin Sandra Müller geht davon aus, dass dies bald nötig werden könnte. Sie erinnert sich noch gut an den letzten Winter. Angesichts zahlreicher schwerer Covid-Fälle auf den Intensivstationen der Krankenhäuser befürchtet sie schon bald eine Zuspitzung der Lage.