Frust in Apotheken ist groß - viele fühlen sich von der Politik alleine gelassen.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Lieferengpässe bei Arzneimitteln

Medikamente werden knapp: Was Südbadens Apotheker Patienten raten

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Matthias Schlott
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Wera Engelhardt

Was tun, wenn es in den Apotheken keine Asthma-Sprays, Psychopharmaka oder Schmerzmittel mehr gibt? Das passiert aktuell auch in Südbaden immer häufiger.

Mediziner und Apotheker beobachten auch in Südbaden mit Sorge, dass es an vielen Medikamenten mangelt. Bei fast 900 Arzneimitteln gebe es derzeit Lieferengpässe, sagte Friederike Habighorst-Klemm, Mitglied im Vorstand des Landesapothekerverbandes und Inhaberin der Stadt-Apotheke in Emmendingen.

"Das ist nicht außergewöhnlich. Penizillin etwa ist seit Wochen nicht zu kriegen. Wir versuchen, auf andere Antibiotika auszuweichen. Das verursacht dann bei anderen Medikamenten auch wieder Lieferengpässe."

Auch bei vielen Ärztinnen und Ärzten sei die Stimmung angespannt, sagte Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. "Die Mediziner wissen nicht genau, welches Medikament in den Apotheken gerade vorrätig ist", sagte Sonntag. Das bedeute, dass viele Patienten mit ihren Rezepten in die Apotheken gehen, dort ihr Medikament aber nicht bekommen und für eine Alternative zurück in die Praxis müssen. Manche Therapien seien wegen des Mangels gar nicht möglich.

SWR-Reporter Matthias Schlott berichtet über die Probleme von Ärzten und Apothekern:

Apothekerin: Patienten sollten Medikamente auf Lager haben

Die Folge: mehr Aufwand bei der Beratung in Praxen und Apotheken. Die Emmendinger Apothekerin Habighorst-Klemm empfiehlt Patientinnen und Patienten unter anderem, sich der Lieferengpässe bewusst zu sein und entsprechend vorzusorgen.

"Wer eine Dauermedikation braucht und gerade eine Packung angefangen hat, sollte sich sofort eine neue Packung auf Lager legen, um immer ein paar Wochen Luft zu haben."

Vergütet werde der Mehraufwand nicht, berichtete die Apothekerin. Verschärfend wirkt für die Apotheker das seit 2007 geltende Rabatt-System. In Verträgen legen die Krankenkassen für zwei Jahre fest, von welchen Herstellern sie Medikamente beziehen. Das sei ein Korsett, dass den Spielraum der Apotheken zusätzlich stark einschränke, sagte Habighorst-Klemm.

Bundesinstitut sieht keine schlechtere Versorgung

Die Probleme mit nicht oder nur schwer verfügbaren Medikamenten gibt es in Deutschland schon seit einiger Zeit. Ein Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hatte vor einigen Tagen von einer "großen Herausforderung" gewarnt, die auf absehbare Zeit bleiben werde. Im Moment gehe zwar niemand "unversorgt" aus der Apotheke, aber: "Die Arzneimitteltherapie, die mit den noch verfügbaren Arzneimitteln möglich sein wird, kann auch zu Qualitätseinbußen führen."

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht dagegen "keine Hinweise auf eine generelle akute Verschlechterung der Versorgungslage in Deutschland". Für viele knappe Medikamente gibt es Alternativen. "Ein Lieferengpass muss daher nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein", betonte die Behörde. Derzeit gebe es nur rund zehn Meldungen zu versorgungskritischen Wirkstoffen.

Vorsicht beim Medikamentenkauf im Internet

Als Ursache der Engpässe sehen Apotheken und Gewerkschaften die Globalisierung. Rund 68 Prozent der Produktionsorte von Wirkstoffen, die für Europa bestimmt sind, liegen im kostengünstigeren Asien, wie es in der Studie des Pharmaverbands vfa heißt. Kommt es dort zu Fertigungsproblemen, Verunreinigungen oder zum Produktionsstillstand, kann das auch Deutschland treffen.

SWR-Wirtschaftsredakteur Lutz Heyser erklärt, wieso einige Medikamente knapp sind:

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Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg rief Patienten dazu auf, bei der Suche nach Medikamenten im Internet vorsichtig zu sein. "Man sieht nicht immer, was drin ist und ob es sich überhaupt um ein Originalpräparat handelt", sagte Sonntag.

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