Eine Sensor-gesteuerte Agri-Photovoltaikanlage soll bald in Oberkirch im Testbetrieb laufen. (Foto: SWR)

Testanlage in Oberkirch

Baurecht und Behörden bremsen Agri-Photovoltaik in der Ortenau

Stand
AUTOR/IN
Christine Veenstra

In Südbaden möchte ein Familienunternehmen die Agri-Photovoltaik voranbringen. Doch das Baurecht und die zuständigen Behörden machen es der neuen Technologie nicht leicht.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg soll radikal beschleunigt werden. Diese Parole hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann ausgegeben. Doch nicht überall im Land ziehen die zuständigen Behörden gleichermaßen mit.

Bei Versuchen zu Photovoltaik über Obstanbauflächen zum Beispiel werden an einem Ort großzügig Genehmigungen erteilt und andernorts geht es nur schleppend voran.

Testanlage in Oberkirch wird aufgebaut

In Oberkirch-Nußbach im Ortenaukreis betreibt Hansjörg Vollmer auf 5 Hektar Fläche Obstanbau im Nebenerwerb. Vor mehr als 20 Jahren hat er außerdem die Firma Intech gegründet, ein Unternehmen für Solartechnik mit Sitz in Kehl. Die Firma leitet heute Sohn Christoph Vollmer, und gemeinsam bauen die beiden gerade ihre erste Agri-Photovoltaik-Testanlage auf.

Hansjörg Vollmer und Christoph Vollmer bauen in Oberkirch eine Testanlage für Agri-Photovoltaik auf. (Foto: SWR)
Hansjörg Vollmer und Christoph Vollmer bauen in Oberkirch eine Testanlage für Agri-Photovoltaik auf.

Auf einer drei Meter hohen Stahlkonstruktion liegen die ersten Platten über einer Reihe frisch gepflanzter Apfelbäume. Es ist eine bewegliche, Sensor-gesteuerte Anlage, wie Christoph Vollmer erklärt.

"Das nennt man Tracking. Das gibt es schon für Bodenanlagen. Das Besondere hier ist, dass wir sehr viel höher sind und die Photovoltaikanlage über unserem Spalierobst montieren können und so eine Doppelfunktion haben."

Während sich ein Teil der Module vollautomatisch nach dem Sonnenstand ausrichtet und den bestmöglichen Energieertrag erbringt, ist ein anderer Teil optimal auf das Wachstum der Bäume ausgelegt. "Wenn wir mehr Sonne für die Pflanze benötigen, weicht die Photovoltaikanlage aus", so Christoph Vollmer.

Kehler Verwaltungsexperten beobachten Genehmigungspraxis

Mit ihrer Anlage wollen die Vollmers ausprobieren, wie viel Licht sie den Obstbäumen wegnehmen und für die Stromerzeugung nutzen können, ohne dass der Obstertrag einbricht. Die Anlage ist nämlich Teil eines großen Versuchs des Landes Baden-Württemberg, der an insgesamt fünf Standorten läuft.

Das Freiburger Frauenhofer Institut betreut das Feldexperiment und wird später die gesammelten Daten auswerten. Aber auch die Hochschule Kehl ist involviert. Dort beobachten Wissenschaftler, wie die Genehmigungsprozesse für die Testanlagen ablaufen. Und schon jetzt hat Antonia Kallina von der Hochschule große Unterschiede in der Genehmigungspraxis der Kommunen festgestellt.

"Aufgrund der Lücken in der Gesetzgebung sind die Genehmigungsbehörden sehr unterschiedlich mit der neuen Technologie umgegangen."

Für eine Testanlage in Kressbronn am Bodensee hätten die Behörden politisch alles dafür getan, dass die Anlage schnellstmöglich in Betrieb gehen konnte. Die Forschungsanlage dort wurde für 25 Jahre genehmigt. "Auf der anderen Seite haben wir hier in der Region eher Hürden mit den Genehmigungsbehörden gehabt", so Kallina.

So bekam die Familie Vollmer von der Stadt Oberkirch nur für fünf Jahre eine Genehmigung – ein Zeitraum, für den sich die Investition von 850.000 Euro eigentlich nicht rechnet, nicht einmal wenn man den Landes-Zuschusses von 260.000 Euro berücksichtigt.

Bisher sind ohnehin nur Anlagen zu Forschungszecken genehmigungsfähig. Damit die neue Technologie großflächig umgesetzt werden könnte, wäre eine Änderung der Landes-Bauordnung oder des Bau-Gesetzbuches nötig. Ein Schritt, auf den die Vollmers und andere Landwirte dringend warten.

"Wir bekommen mittlerweile sehr viele Anfragen und freuen uns darüber. Aber um das großflächig umsetzen zu können, fehlt uns der rechtliche Rahmen."

So wird erst einmal weiter getestet. Aktuell laufen Gespräche mit der Stadt Oberkirch über eine Agri-Photovoltaik-Anlage über Weinreben. Der Versuch im Ortsteil Bottenau wäre der deutschlandweit erste dieser Art und wird unter anderem vom staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (WBI) unterstützt. Dort betrachten Experten wie Frederik Klodt die neue Technologie gar als mögliche Rettung für Steillagen.  

"Das Weinbauinstitut möchte sehr gerne an der Agri-Photovoltaik arbeiten und das Potenzial erforschen: Ob sich das lohnt für den Winzer, um die Steillagen zu halten."

Für traditionelle Rebsorten sei die Sonneneinstrahlung in den süd-exponierten Lagen inzwischen eher zu stark, erklärt Klodt. Das vermindere die Erträge, während die Bewirtschaftungskosten in den schwierigen Lagen höher seien. Beschattung durch Photovoltaikplatten und zusätzliche Einnahmen durch den erzeugten Strom könnten beides ausgleichen, so die Hoffnung.

Zum Agri-Photovoltaikprojekt in den Reben sagt inzwischen auch Oberkichrs Oberbürgermeister Matthias Braun, er sei froh, wenn das Forschungsvorhaben umgesetzt werde. Den Eindruck, dass die Stadt vorhandene Spielräume bei der Genehmigung von Agri-Photovoltaik bisher nicht genutzt habe, wies er zurück.

Mehr zum Thema Erneuerbare Energien

Schluchsee

Kleine Anlage in großer Krise Neues Wasserkraftwerk am Schluchsee in Betrieb gegangen

Die Anlage wirkt ziemlich klein verglichen mit der riesigen Staumauer in ihrem Rücken. Das neue Wasserkraftwerk soll aber einen wichtigen Beitrag in der Energiekrise leisten.

SWR4 BW aus dem Studio Freiburg SWR4 BW Südbaden

Freiburg

Besonders leistungsfähig Freiburger entwickeln preisgekrönte Solarmodul-Maschine

Ein junges Unternehmen aus Freiburg hat eine Maschine entwickelt, die Solarmodule in Serie herstellt. Sie sind leistungsfähiger, umweltfreundlicher und flexibler einsetzbar als herkömmliche Module.

Stand
AUTOR/IN
Christine Veenstra