Anti-Russischer Protest der Soziologin Mariia Vorotilina (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, Jonas Walzberg)

"Wir können doch nichts dafür!"

Ukraine-Krieg: Ehemalige Sowjetbürger wehren sich gegen Mobbing

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Allein der russische Akzent reiche schon, um beschimpft zu werden, klagen ehemalige Sowjetbürger. Selbst unter Schulkindern gibt's da keine Ausnahme.

Die Auswirkungen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine reichen mittlerweile bis in die Wohnsiedlungen Südbadens. Ein russischer Akzent reiche schon, um beschimpft zu werden, klagen ehemalige Sowjetbürger. Selbst Schulkinder machen da unter sich keine Ausnahme. Eine Familie, die anonym bleiben möchte, erzählt hat von ihren Erlebnissen und Sorgen.

Vor über 30 Jahren ist Natalie* aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Zusammen mit ihrem Mann und den beiden Kindern Anna* und Jonas* wohnt sie im Landkreis Waldshut. Anna geht in die 6. Klasse. Auf dem Schulhof sprechen die Kinder über den Krieg. Sie sprechen in den Pausen oder auch vor dem Unterricht miteinander. "Und die Kinder regen sich darüber auf, obwohl die ja gar nichts dafürkönnen", weiß Anna.

Abweisend und arrogant gegen Kinder mit Akzent

Dann erzählt sie daheim, dass es in der Schule irgendwie anders war als sonst. Eine der besten Schulfreundinnen verhielt sich "so komisch", war abwesend und arrogant, wenn sie etwas gefragt wurde und hat sich förmlich distanziert, fasst Annas Mama Natalie die Eindrücke der Tochter zusammen.

Beste Freundinnen bis der Krieg in der Ukraine ausbrach

Für Natalie ist schnell klar: Das muss mit dem Krieg zusammenhängen. Und damit, dass Anna in den Augen der Freundin russische Eltern hat. "So seh' ich das jedenfalls", sagt Natalie. Anders kann sie sich das nicht vorstellen. Schließlich waren die beiden Kinder bis vor Kurzem noch gute Freundinnen und dann kommt der Krieg und plötzlich ist alles ganz anders. Eine ganz andere Welt!

"Es reicht allein schon, einen russischen Akzent zu haben, um in der 'Du-bist-pro-Putin-Schublade' zu landen!"

Verantwortlich gemacht für etwas völlig Unverschuldetes

Auch Natalie hat in jüngster Zeit blöde Sprüche auf der Straße hinnehmen müssen. "Na? Und? Wie geht es Putin?", sei sie zum Beispiel vor ein paar Tagen gefragt worden. "Was für eine unsinnige Frage", denkt sie sich dann und fühlt sich mit solchen Sprüchen verantwortlich gemacht für einen Krieg, für den sie nichts kann.  

Trotz anonymen Mobbings um Einigkeit und Integration bemüht

Andre Rempel, 1991 ebenfalls aus Kasachstan in die Region Tuttlingen gezogen, bereitet dieser neue Fremdenhass gegen Deutsche mit sowjetischen Wurzeln - oder umgekehrt - Sorge. Die Anfeindungen werden schärfer, sagt er: "Russenpack, haut endlich hier aus Deutschland ab und helft eurem Putin, mal ein Land ohne Gewalt aufzumischen. Egal was ihr hier noch macht, Integration bei Russen geht nicht. Geht einfach zurück nach Moskau", zitiert Rempel einen anonymen Schreiber. "Solche Nachrichten erreichen uns leider häufig in letzter Zeit", bedauert Rempel. Er setzt sich ein für Integration, hat bereits einige Friedensdemonstrationen organisiert und will das auch weiter tun. In Villingen-Schwenningen waren nach eigenen Angaben über 1.200 Menschen dabei. Er vertraut weiter auf Fairness und Vernunft, denn "was in diesen schwierigen Zeiten zusammenhält, ist eben das Miteinander. Nicht das Gegeneinander!"

Es wird schon wieder - Kindlicher Optimismus als Chance

Ob der Bruch zwischen Anna und ihrer Schulfreundin wieder heile wird, muss die Zukunft zeigen. Ganz schlecht stehen die Chancen dabei nicht, gibt sich zumindest die kleine Anna zuversichtlich: "Ich glaube, es wird schon wieder ein bisschen besser!"

*) Namen von der Redaktion geändert.

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