Schon mit 13 Jahren wollte Jana hoch hinaus. Damals hatte sie sich im Rahmen des Girls' Day, einem bundesweiten Tag zur Berufsorientierung für Mädchen, dazu entschlossen, Dachdeckerin zu werden. Danach folgte ein weiteres Praktikum in ihrem heutigen Betrieb: Braun & Heine Bedachungen. Dort hat die 22-Jährige auch in den Sommerferien gearbeitet und schließlich ihre Ausbildung zur Dachdeckerin begonnen. Heute ist Jana ganz oben angekommen, hat sich beim Bundesentscheid im rheinland-pfälzischen Mayen als beste Dachdeckerin Deutschlands gegen die vor allem männlichen Kollegen durchgesetzt. Ihre Familie hat sie nach dem Wettbewerb feierlich empfangen: Auf einem großen Stoffbanner am Balkon des Wohnhauses steht "Deutschlands beste Dachdeckerin" geschrieben.
Schon früher war Jana aufgrund ihres Talents aufgefallen. An der einzigen Berufsschule für Dachdeckerinnen und Dachdecker in Baden-Württemberg erzielte sie bei ihrer Gesellenprüfung die höchste Punktzahl und wurde dadurch zur Landessiegerin.
Beim Bundesentscheid setzte sie sich dann gegen acht Männer und eine weitere Frau durch, die auf dem zweiten Platz landete. Gemeinsam werden sie Deutschland im Team bei der Dachdecker-Weltmeisterschaft 2024 vertreten.
Jana überzeugt mit traditionellem Schindeldach
Jana Siedle hat die Jury mit einer eingebundenen sogenannten Hauptkehle in Holzschindeldeckung überzeugt. Als Kehle bezeichnet man die Ecke, in der zwei Dachflächen zusammen laufen. Das Legen eines traditionellen Schindeldachs aus Holz ist eine große Kunst, die längst nicht alle Dachdeckerinnen und Dackdecker beherrschen. Die Holzschindeln bearbeitet Jana von Hand auf einem Schindelbock vor, schleift die Seiten ab, damit die Höhe hinterher stimmt. Danach werden sie übereinander gelegt und so festgenagelt, dass das Holz Witterungsbedingungen standhält, das Dach dicht ist und das Wasser gut abfließen kann.
Dachdecker-Handwerk ist vielfältig
Es ist die Vielfalt, die Jana an dem Beruf so gefällt. Sie liebt die Arbeit an der frischen Luft und die Überraschungen, die jede Baustelle mit sich bringt und nicht zuletzt den Ausblick.
An den rauen Ton auf der Baustelle hat sich Jana inzwischen gewöhnt. Da gehe es nunmal anders zu als etwa in einem Büro. Die 22-Jährige ist die einzige Handwerkerin bei Braun & Heine Bedachungen.
Als Frau in einer Männerdomäne
Als Frau werde sie immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert, vor allem wenn es um Muskelkraft geht, erklärt sie. Sie ist vielleicht nicht so stark wie der ein oder andere Mann auf der Baustelle, scheut sich aber nicht davor, in solchen Fällen einfach um Hilfe zu bitten. Das Dachdecker-Handwerk sei schließlich immer auch Teamarbeit, sagt Siedle.
Firmenchef Bernhard Braun bereut seine Entscheidung nicht, eine Frau als Auszubildende eingestellt zu haben. Von Kollegen werde er für den Entschluss sogar eher beneidet, erzählt er. Noch heute erinnert sich Bernhard Braun sehr gut an seine erste Begegnung mit der damals 13-Jährigen.
Janas Mutter, Anja Siedle, war von ihrem Berufswunsch erst nicht ganz so begeistert. Bei Wind und Wetter schwere, körperliche Arbeit zu verrichten und das in oft schwindelerregenden Höhen auf Hausdächern, hatte ihr anfangs Sorgen bereitet. Doch Jana hatte sich von ihrem Ziel nicht abbringen lassen. Heute habe sie sich damit abgefunden. Janas Fotos von ihren Ausblicken auf den Dächern möchte sie aber trotzdem lieber nicht gezeigt bekommen.