Schatten von Personen auf einem Gehweg (Foto: SWR, Christof Gerlitz)

Partei in Aufruhr

Skandal um Mitglied: CDU Südbaden zwischen Hilflosigkeit und Loyalität

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Christof Gerlitz
Dorothee Soboll
Dorothee Soboll, SWR Studio Freiburg (Foto: SWR)

Die CDU Südbaden kommt nicht zur Ruhe. Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit einem prominenten Parteimitglied. Mit einer internen Aufarbeitung des Skandals ist die CDU bislang nicht vorangekommen.

Was ist passiert?

Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte anderthalb Jahre gegen ein führendes CDU-Mitglied ermittelt. Es ging um schwerwiegende Vorwürfe, die mit seinem Privatleben zu tun hatten. Eine Anklage hat es nie gegeben. Das Verfahren wurde 2019 unter anderem gegen eine Geldauflage eingestellt, weil sich die Vorwürfe nicht beweisen ließen. Für den prominenten Politiker gilt deshalb nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Provinzposse im Ortsverband

Ein Frühsommerabend in Südbaden. In einer kleinen Gemeinde hat der CDU-Ortsverband zur Hauptversammlung geladen. Es ist jener Ortsverband, in dem der prominente Politiker seit vielen Jahren Mitglied ist. Und was sich hier kurz vor Sonnenuntergang zuträgt, ist politisch eine Farce. Ursprünglich hätte die Mitgliederversammlung in den Privaträumen des Prominenten stattfinden sollen. Die schriftliche Einladung liegt dem SWR vor. Als sich die Presse ankündigt, werden die Verantwortlichen offenbar nervös. Sie verlegen die Veranstaltung vier Stunden vor Beginn in ein öffentliches Gebäude am Ortsrand. Auch die Journalisten erfahren kurzfristig über ihre Quellen davon.

Schild: Hier findet eine nichtöffentliche geschlossene Veranstaltung statt! (Foto: SWR, Christof Gerlitz)
Zur Abschreckung? Dieser Zettel hing am Eingang des Sitzungssaals.

Nichtöffentliche Veranstaltung

"Hier findet eine nichtöffentliche geschlossene Veranstaltung statt", steht auf einem DIN-A4-Zettel an der Eingangstür. Mitglieder bringen Getränke und Laugenbrezeln, doch die Atmosphäre passt nicht zum herrlichen Frühsommerabend - sie ist angespannt. Der prominente CDU-Politiker selbst wird an diesem Abend nicht in Erscheinung treten. Er sei plötzlich erkrankt, ist zu hören. Doch die Presse bleibt hartnäckig. Sie will wissen, wie die Basis über den Skandal denkt.

Irgendjemand lässt die Tür des Gebäudes offen stehen, die Medienvertreter folgen den Mitgliedern des Ortsverbandes in den Versammlungssaal. Spürbar ist, dass das heikle Thema um jeden Preis vermieden werden soll. Es wird darüber abgestimmt, ob die Presse im Raum bleiben darf. Zehn Mitglieder stimmen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit, sieben sind dagegen, zwei enthalten sich. Die Presse muss wieder raus.

Wie bei einem Geheimbund

Auch drei CDU-Mitglieder verlassen unter Protest gegen das Vorgehen die Hauptversammlung. Sie finden es falsch, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll. So etwas habe es in ihrem Ortsverband noch nie gegeben. Das Wort Pressefreiheit fällt und einer der Herren verleiht seiner Empörung besonderen Ausdruck: Bei einem Geheimbund, sagt er, wolle er nicht mitmachen. Von draußen ist durch die Fenster zu erkennen, wie im Saal die Neuwahlen des Vorstandes stattfinden - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

CDU-Bezirksverband reagiert entsetzt

Der SWR spricht den CDU-Bezirksverband auf die kurzfristige Verlegung und den Verlauf der Sitzung an. Ein Sprecher reagiert entsetzt. Auf die SWR-Anfrage folgt eine schriftliche Stellungnahme: "Mitgliederversammlungen und Parteitage der CDU finden - laut Satzung - grundsätzlich öffentlich statt. Inwiefern die Entscheidungen der Mitgliederversammlung damit rechtmäßig zustande gekommen sind, muss vom betroffenen Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald geklärt werden."

Parteiausschluss gefordert

Forderungen nach einem freiwilligen Rückzug aus der CDU hat der Prominente bislang abgelehnt. Sämtliche Vorwürfe bestreitet er. Mit Hilfe eines renommierten Medienanwalts aus Köln ist es ihm bisher gelungen, die Partei offenbar auf allen Ebenen in Schach zu halten. Es geht dabei um die Androhung von Klagen und um sehr viel Geld. Deswegen vermeidet die Partei bislang akribisch, den Namen des Mannes öffentlich auszusprechen oder Details zu nennen, die ihn erkennbar machen.

Die Situation sei unsäglich, heißt es aus dem Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald, man fühle sich "wie gefesselt". Die CDU will ihr prominentes Mitglied unbedingt loswerden. Von einem Parteiausschluss ist die Rede. Es ist die schärfste Sanktionsmaßnahme, die möglich ist. Sie darf nur dann erfolgen, wenn das Mitglied "vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt" (§ 11, Statut der CDU). Nach Ansicht des Bezirksverbandes ist es allerdings fraglich, ob ein Parteiausschlussverfahren Erfolg haben würde.

Heimatort ist gespalten

Früher schien der prominente Politiker über alle Zweifel erhaben. Ein netter Mann - smart, anscheinend moralisch integer, einer mit dem man sich gerne zeigte. In der Öffentlichkeit, auf Parteiveranstaltungen, auf Fotos. Manche dieser Fotos sind inzwischen gelöscht worden.

Sein Heimatort, eine beschauliche Gemeinde in Südbaden, ist gespalten. Es gibt die, deren Groll und Unmut fast greifbar scheinen. Die nicht verstehen können, dass dieser Mann nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft 2019 praktisch unbescholten blieb und seine politischen Ämter weiter ausübte. Und es gibt jene, denen es am liebsten wäre, über die ganze Sache würde möglichst schnell Gras wachsen. Vermutlich sei an den Vorwürfen ohnehin nichts dran, auch das ist zu hören. Der CDU-Politiker soll immer noch viele Fürsprecher haben.

Die Verunsicherung ist groß. Es wird erzählt, dass es Drohungen gegeben haben soll, Versuche, die Leute einzuschüchtern. Der Einfluss des renommierten Medienanwaltes reicht offenbar bis hinein in die Heimatgemeinde seines Mandanten. Der prominente Politiker selbst ist in der Öffentlichkeit nur noch selten zu sehen. Er sei sehr blass und schmal geworden, sagen die, die ihn gesehen haben.

Schild der CDU-Bezirksgeschäftsstelle Südbaden (Foto: SWR, Ina Held)
Geschäftsstelle der CDU Südbaden in Freiburg

Wie geht es politisch weiter?

Die CDU Südbaden hatte erklärt, sie habe von alledem erst vor wenigen Wochen aus der Presse erfahren. Es geht in der internen Aufarbeitung also nicht mehr um strafrechtliche Fragen, sondern um die politische Dimension und den Umgang der Partei mit dem Skandal in den eigenen Reihen.

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