Es ist ein emotionaler Moment: Die Busfahrer, die die 157 Heimkinder aus der Nähe von Kiew nach Freiburg gebracht haben, brechen in die Ukraine auf. Es ist unklar, wann und ob sie sich wiedersehen. Die Kinder umarmen die Männer. Winken den vier Bussen, den Fahrern hinterher, die sie sicher durch das Kriegsgebiet nach Deutschland gebracht haben.

Rettung der Heimkinder aus Kiew unter Lebensgefahr
Einer der Fahrer ist Wolodymyr Keritshik. Der 47-Jährige war wie seine Kollegen am Donnerstagabend schon an der ukrainischen Hauptstadt Kiew vorbeigefahren. Der Inhaber des Busunternehmens, Valerii Mironuk, hatte ihn beauftragt, sich und die Busse außerhalb des Landes in Sicherheit zu bringen. Dann kam der erneute Anruf seines Chefs, wie Keritshik berichtet: Da seien Kinder in einem Heim bei Kiew, die sollen raus aus der Ukraine. Für Keritshik ist sofort klar: Er holt die Kinder. Auf die Hauptstadt fliegen da schon russische Raketen.
"Es lag in unsere Verantwortung, sie dort rauszuholen. Es gibt keine fremden Kinder."
Gefährliche Reise durch das Kriegsgebiet
Was folgt, ist eine 70-stündige Odyssee, berichtet der Leiter des Kinderheims, Roman Kornijko, dem SWR: Die vier Busse fahren mit Polizeikonvoi auf der Gegenfahrbahn Richtung ungarische Grenze. Die Kinder sollen nichts essen, nichts trinken. Jeder Toilettenstopp kann zum Verhängnis werden. Als sie sich in Sicherheit wiegen, wagen sie einen kurzen Halt an einer Tankstelle im Nordwesten der Ukraine. Dann beginnt plötzlich der Himmel zu leuchten. Artilleriebeschuss ist zu hören. Sie fahren sofort weiter - ohne Licht mit hoher Geschwindigkeit. Der Polizeikonvoi leuchtet ihnen den Weg. Die Polizei will, im Falle eines Bombardements, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und zur Zielscheibe werden. Die Jungen und Mädchen im Bus sind still. Sie beten zu Gott.
Stundenlanges Warten an der ungarischen Grenze
Schließlich erreichen sie die Grenze, an der sich kilometerlang die Autos stauen. Über 12 Stunden muss der Konvoi warten. Es ist lange unklar, ob die Busfahrer und männlichen Betreuer das Land verlassen dürfen. Der ukrainische Präsident Selensky hatte nach der Invasion Russlands eine Generalmobilisierung angeordnet. Diese gilt für alle wehrfähigen Ukrainer von 18 bis 60 Jahren. Ein Pflegevater und ein 18-jähriger Junge müssen in der Ukraine bleiben. Alle anderen dürfen passieren. Am Sonntagvormittag erreichen sie erschöpft, aber körperlich unversehrt, Freiburg. Hier kommen die 167 Kinder vorerst unter anderem in Jugendherbergen unter. Die Erlebnisse hat die Gruppe noch enger zusammenschweißen lassen.
Busse mit Hilfsgütern beladen
Nun sind Wolodymyr Keritshik und seine Kollegen wieder Richtung Heimat, ins Kriegsgebiet, aufgebrochen.
"Die Kinder sind jetzt in Sicherheit, aber unsere Familien sind in der Ukraine. Unser Herz ist dort geblieben."
Die Busse sind mit Schlafsäcken, Konservennahrung und Klopapier beladen. Sie wollen nach Kowel, in den Nordwesten der Ukraine. 1600 Kilometer von Freiburg entfernt. Es ist die Heimat von Wolodymyr Keritshik. Seine Familie wartet dort auf ihn.

Busfahrer wollen sich beim Militär melden
Doch lange wird Wolodymyr Keritshik seine Familie nicht sehen können. Er und seine Kollegen kehren zurück, um sich beim Militär zu melden und ihr Land zu verteidigen.
Weitere Kinder im Vaterhaus bei Kiew
140 Personen sind noch im Heim "Otchy Dim" bei Kiew untergebracht. "Otchy Dim" heißt auf deutsch "Vaterhaus". Ein anderes Kinderzentrum, aus dem auch Kinder nach Freiburg gebracht worden sind, ist jetzt eine russische Kaserne, berichtet Roman Kornijko, der Leiter des Heims. Er ist froh und dankbar, dass er gemeinsam mit den Busfahrern, die 167 Kinder schon nach Freiburg in Sicherheit bringen konnte.