Bisher ist es so: Eltern, die berufstätig sind, zahlen bei der Pflegeversicherung die gleichen Beiträge, unabhängig davon, wie viele Kinder sie haben. Jetzt muss man sich folgende Situation vorstellen: Eine Familie mit vier oder fünf Kindern. Das ist ein völlig anderer Betreuungsaufwand als bei einem Paar, das lediglich ein Kind großziehen muss. Geklagt hatten unter anderem Familien aus Freiburg und Waldshut.
Bundesverfassungsbericht: Kinderzahl soll berücksichtigt werden
Genau da setzt das Bundesverfassungsgericht an: Mit steigender Kinderzahl steigen die Kosten für die Eltern. Dazu kommt der Aufwand für die Betreuung. Hat ein Paar nur ein Kind, ist es sehr viel einfacher zu managen, dass beide berufstätig bleiben. Bei mehreren Kindern wird das schon schwieriger. Wenn ein Elternteil zu Hause bleibt, fehlt ein Einkommen. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von "erziehungsbedingt entgangenen Erwerbschancen". Das Gericht kommt zum Schluss: Das alles muss berücksichtigt werden. Bei der aktuellen Situation könne es nicht bleiben.
"Bei den Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung werden Eltern mit mehreren Kindern gegenüber Eltern mit weniger Kindern benachteiligt. Es bleibt unberücksichtigt, dass der wirtschaftliche Erziehungsaufwand mit wachsender Kinderzahl steigt."
Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nun folgendes aufgetragen: Eltern, die mehrere Kinder haben, müssen bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung entlastet werden - und zwar abhängig von der Kinderzahl. Sprich: je mehr Kinder Eltern haben, desto niedriger müssen die Beiträge sein. Der Gesetzgeber hat bis Ende Juli 2023, also bis Mitte nächsten Jahres Zeit, dies zu ändern.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet für den Gesetzgeber in Berlin viel Arbeit, so Frank Bräutigam, Leiter der ARD Rechtsredaktion des SWR in Karlsruhe:
Keine Änderung bei Renten- und Krankenversicherung nötig
Dahinter steckt der grundsätzliche Gedanke, dass Eltern durch ihre Kinder einen wichtigen Beitrag zu allen Sozialversicherungen leisten. Wenn ihre Kinder später einmal arbeiten, zahlen sie die Sozialbeiträge und stützen so das ganze System. Deshalb gibt es für Eltern bei den Sozialversicherungen bereits heute einige Vergünstigungen. Bei der Pflegeversicherung zahlen sie etwas weniger als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Kinder. Bei der Rentenversicherung werden Kindererziehungszeiten berücksichtigt. Bei der Krankenversicherung gibt es die beitragsfreie Familienversicherung. Sprich: Der nicht berufstätige Ehepartner und die Kinder sind mitversichert. Das ist auch der Grund, warum sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bei der Renten- und Krankenversicherung nichts ändern muss. Da gebe es bereits einen hinreichenden Ausgleich für den Aufwand, den Eltern leisten.
Das bedeutet unterm Strich: Eltern, die zwei oder mehr Kinder haben, können damit rechnen, dass sie ab Mitte nächsten Jahres weniger in die Pflegeversicherung einzahlen müssen. Bei der Renten- und Krankenversicherung wird sich nichts ändern. Da - sagt das Bundesverfassungsgericht - habe der Gesetzgeber die Belange der Eltern in ausreichendem Maß berücksichtigt.