Mehr als dreißig Jahre Planungsphase und Standortsuche für die neue Justizvollzugsanstalt Rottweil (JVA) hat es gebraucht, bis im Juni 2023 die Bauarbeiten im Rottweiler Esch beginnen konnten. Seither hat sich auf dem Gelände einiges bewegt: Straßen wurden gebaut, Ausgleichsflächen bepflanzt und ein Teil der insgesamt 18 Gebäude steht schon. Darunter die drei Zellenblocks, in denen nach Fertigstellung 502 Häftlinge untergebracht werden können. Der Bau findet unter strengen Sicherheitsvorgaben statt: Firmen müssen überprüft werden, es herrscht ein Fotoverbot auf der Baustelle und die Baupläne unterliegen einer strengen Geheimhaltungspflicht. Das sagte Sieglinde Neyer-Bedenk von der Vermögen und Bau Baden-Württemberg dem SWR.
Nichtsdestotrotz stößt der Bau auf großes Interesse bei der Bevölkerung und den Touristinnen und Touristen, die auf dem Neckartalradweg direkt an der Großbaustelle vorbeikommen. Aus diesem Grund wurde außerhalb der Gefängnismauern ein Infopoint mit einer Aussichtsplattform eingerichtet, die einen Blick über die Baustelle erlaubt. Außerhalb der Gefängnismauern wird außerdem eine Art Ausflugscafé gebaut, wo sich Bevölkerung und Freigänger später begegnen können.
In der neuen JVA Rottweil: Zellen und kleine Wohneinheiten
Die Zellen sind neun Quadratmeter groß - jeweils mit einem Fenster und einer abgetrennten Nasszelle mit Waschbecken und Toilette. Mehrere Zellen sind zu kleinen Wohneinheiten gruppiert, die jedoch auch flexibel mit einer nebenliegenden Wohneinheit zusammengelegt werden können. Jede Wohneinheit ist mit einer kleinen Küche, einem Freizeitzimmer und einem Duschraum ausgestattet.
Der Gefängnis-Rohbau erinnert an ein Studierendenwohnheim oder eine große Wohngemeinschaft (WG) - wären da nicht die Gitter vor den Fenstern, Schutzzäune und eine fünfeinhalb Meter hohe Gefängnismauer rund um die Anlage. Doch Zeit mit Mithäftlingen verbringen oder gemeinsam kochen - das wird auch hier künftig möglich sein. Dank mehrerer unterschiedlicher Bereiche kann auch der Hofgang flexibel gestaltet werden. Mindestens eine Stunde steht jedem Häftling pro Tag gesetzlich zu.
Ausbildungsbetriebe bereits eingeplant
Innerhalb der Gefängnismauern soll nach der Eröffnung auch gearbeitet und ausgebildet werden. Eine Schlosserwerkstatt und eine Werkstatt zur Holzbearbeitung sind bereits eingeplant. Welche Betriebe hier in Zukunft produzieren lassen werden, das stehe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest, sagt Sieglinde Neyer-Bedenk von der Vermögen und Bau Baden-Württemberg.
Wir bauen hier quasi eine kleine Stadt in der Stadt.
Auch klassische Gefängnisbereiche wie eine große Küche oder Besucher- und Verwaltungsräume entstehen auf dem Gelände. "Wir bauen hier quasi eine kleine Stadt in der Stadt", so Neyer-Bedenk.
Begegnungsstätte für Häftlinge und Bevölkerung neben dem Gefängnis
Verwunderlicher scheinen da gekennzeichnete Bereiche wie der Wanderparkplatz, die Bushaltestelle und die sogenannte Begegnungsstätte. Ein Wunsch, der aus dem Bürgerentscheid und der darauf folgenden Bürgerbeteiligung hervorgegangen ist. Außerhalb der Gefängnismauern entsteht ein sogenanntes Freigängerheim. Angedacht ist, dass "die Personen, die sich auf den Freigang vorbereiten und auch tagsüber woanders arbeiten können, die Begegnungsstätte betreiben", erklärt Neyer-Bedenk. Eine Art Ausflugscafé für Wanderinnen und Wanderer, Interessierte oder die Radfahrerinnen und Radfahrer, die hier auf dem Neckarradweg direkt an der neuen JVA vorbeikommen.
Ob die Begegnungsstätte in Form eines Cafés mit eingeschränkten Öffnungszeiten oder in anderer Form realisiert wird, das werde sich noch zeigen. Die Idee dahinter: "die Leute leichter einzugliedern und mehr Begegnungen zu schaffen", erklärt Fabio Tedesco von der Rottweiler Außenstelle Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Dort sollen dann auch Produkte angeboten werden, die die Häftlinge in der JVA hergestellt haben, wie etwa Möbel oder landwirtschaftliche Produkte.
Sportvereine im Gefängnis: Gemeinsame Sporthalle geplant
Eingliederung, Kontakt und Begegnung: Das soll auch innerhalb der Gefängnismauern passieren. Neben Sportplätzen im Freien wird es im neuen Großgefängnis auch eine Sporthalle geben. Die Rottweilerinnen und Rottweiler wünschen sich, dass die Halle gemeinschaftlich genutzt werden kann - etwa von Vereinen. "Die Menschen werden dann eingeschleust, wie andere Besucherinnen und Besucher auch, machen hier Sport und danach können sie wieder gehen", so Tedesco.
Ähnliche Ideen für Begegnungen mit den Häftlingen gibt es bereits in anderen Gefängnissen: Schülerinnen und Schüler aus Furtwangen besuchten das Offenburger Gefängnis und spielten dort mit den Gefangenen Tischtennis.
Ein Vormittag in der Offenburger Justizvollzugsanstalt Ungewöhnlicher Schul-Projekttag: Tischtennisspielen mit Gefangenen
Schülerinnen und Schüler aus Furtwangen kommen ins Offenburger Gefängnis und spielen mit Gefangenen Tischtennis. Eine besondere Begegnung.
Baden-Württemberg braucht Haftplätze
Die anhaltend hohe Zahl von Gefangenen mache es erforderlich, die Haftplatzkapazitäten zu erweitern, so Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) im Rahmen der Veranstaltung zum ersten Spatenstich 2023. "Gleichzeitig ist es notwendig, in den Gefängnissen effiziente Strukturen auszubauen, damit wir weiterhin Sicherheit und gute Arbeitsbedingungen für die Bediensteten gewährleisten und ausreichend Behandlungs- und Betreuungsangebote für die Inhaftierten zur Verfügung stellen können." Die neue Justizvollzugsanstalt in Rottweil werde die Leistungsfähigkeit in all diesen Bereichen deutlich stärken.

JVA Rottweil deutlich teurer als geplant
Ursprünglich waren die Kosten für das neue Gefängnis mit 120 Millionen Euro angesetzt worden. Ein paar Jahre später mussten die Kosten, die vom Land Baden-Württemberg getragen werden, bereits um das Doppelte auf 240 Millionen Euro nach oben korrigiert werden. Durch die gestiegenen Energie- und Materialkosten auch infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine war die Summe 2022 dann noch einmal auf 280 Millionen Euro erhöht worden. "Also aus meiner Sicht gehen wir sehr wirtschaftlich mit den Mitteln um und wenn man Vergleiche zieht zu anderen Bundesländern, da wird nochmal mit ganz anderen Summen hantiert", begegnet Neyer-Bedenk auf einige Schlagzeilen in der Presse, nach denen es sich um eines der teuersten Gefängnisse Deutschlands handeln soll.
Kurz vor Baubeginn hatte sich das Land von dem Architekturbüro in München, das mit dem Gefängnisbau beauftragt war, getrennt. Als Begründung wurden inhaltliche Differenzen und Verzögerungen angegeben.
Fast klimaneutraler Gefängnisbau
Besonderen Wert hatte man in der Planung des Neubaus auf die energetische Ausstattung gelegt. Für einen nahezu klimaneutralen Bau soll unter anderem der Einbau einer Wärmepumpe mit Hackschnitzeln sorgen. Darüber hinaus sind Biodiversitätsdächer mit Photovoltaikmodulen auf den Gebäuden geplant. Die Leistung der Photovoltaikanlagen wurde zu Beginn der Bauarbeiten mit rund 1,8 Megawatt veranschlagt.
JVA Rottweil: Arbeitsplätze bleiben und kommen hinzu
Für den Standort Rottweil habe unter anderem die Nähe zu den Landgerichten in Rottweil, Waldshut-Tiengen, Hechingen und Konstanz gesprochen. In diesem Zusammenhang waren auch die gute Verkehrsanbindung von Rottweil an die Bundesstraße 27 und die Autobahn 81, sowie der besser erschlossene Personennahverkehr in die Entscheidung mit eingeflossen. Denn dadurch sei es Familienmitgliedern und Freunden leichter möglich, Inhaftierte zu besuchen und die Transporte, beispielsweise zu Gerichtsterminen, seien dadurch auch deutlich günstiger möglich.
Die Stadt Rottweil begrüßt den planmäßigen Baufortschritt beim Neubau der JVA Rottweil. Darüber hinaus bekräftigt die Stadt ihr Interesse am Erwerb der Altanstalt in der historischen Innenstadt. Ebenfalls positiv für Rottweil: Die bestehenden Arbeitsplätze im Justizvollzug werden erhalten und sogar noch ausgebaut. Bedienstete der JVA haben vom Land eine Beschäftigungsgarantie bekommen. 276 Stellen soll es für die neue JVA geben.

Die Stadt Rottweil hat in diesem Zusammenhang auch erste Weichen für die Erweiterung des Baugebiets Hegneberg gestellt, um den Bediensteten der JVA Rottweil und ihren Familien Wohnraum in der Nähe zum neuen Arbeitsplatz anbieten zu können.
Schließung alter Gefängnisstandorte
Wenn 2027 das neue Gefängnis in Rottweil fertig ist, werden fünf kleinere Justizvollzugsanstalten geschlossen, so Justizministerin Gentges (CDU). Neben dem bisherigen Rottweiler Gefängnis werden dann die Außenstellen in Oberndorf (Kreis Rottweil), Hechingen (Zollernalbkreis) und Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) sowie die JVA in Waldshut-Tiengen geschlossen.

Bisherige Gefängnisse sind alt und zu klein
Die derzeitigen Gefängnisse in der Region stammen zum Großteil noch aus dem 19. Jahrhundert und sind sehr klein. Das bisherige Rottweiler Gefängnis verfügt gerade mal über 20 Haftplätze, das in Hechingen über 32, Oberdorf über 16 und Villingen-Schwenningen über 18 Plätze. Die JVA Waldshut-Tiengen hat 53 Haftplätze, das Gebäude stammt aus dem Jahr 1848.
Auch deswegen sei die Lage der neuen JVA in Rottweil von Vorteil. So könne man das Personal der anderen Gefängnisse in der Region deutlich sozialverträglicher im Neubau weiter beschäftigen. In einem Bürgerentscheid hatten die Rottweiler im September 2015 dem Bau der neuen Vollzugsanstalt auf ihrer Gemarkung zugestimmt.