Polizei trägt Aktivisten von Straße (Foto: SWR, Gabi Krings)

Bundesweiter Protest für "Essen-Retten-Gesetz"

Gruppe "Letzte Generation" blockiert erneut die B31 in Freiburg

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Gabi Krings
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Ulrike Liszkowski

Erneut haben Klimaaktivisten im morgendlichen Berufsverkehr die B31 in Freiburg blockiert. Sie fordern ein "Essen-Retten-Gesetz" und eine Agrarwende.

Die Straßenblockade bei der Freiburger Johanneskirche hat zu Stau während einer der Hauptverkehrszeiten geführt. Der Verkehr wurde an der Schnewlinbrücke umgeleitet. Die Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung "Letzte Generation" fordern von der Bundesregierung ein "Essen-Retten-Gesetz" gegen Lebensmittelverschwendung und eine Agrarwende bis 2030, um die Treibhausgasemissionen Deutschlands zu senken.

"Ich merke immer wieder, wenn ich hier auf der Straße stehe, das ist der richtige Ort. Wenn ich zur Lessingschule rüber schaue, wo die Schüler gerade drin sitzen, dann fällt mir ein Zitat des renommierten Klimaforschers Professor Schellnhuber ein. Der sagt: "Wir stecken unsere Kinder in einen globalen Schulbus, der mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit verunglückt." Wenn wir uns das vorstellen, dann kann man vielleicht verstehen, warum ich hier bin und einen Stau verursache."

Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hat jüngst Verständnis für die bundesweit stattfindenden Blockadeaktionen gezeigt. Nicht so allerdings der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Auch sonst hagelt es aus Berlin viel Kritik. Aber genau diese Kritik ist es, die den Freiburger Aktivisten Benchi Ottstadt anspornt. Er will, "dass die Regierung endlich ihren Job macht und die Welt rettet". Solange Lebensmittelkonzerne straflos ein Drittel des Essens wegwerfen dürfen, werde es Straßenblockaden geben.

Autofahrer genervt aber auch verständnisvoll

Die Autofahrer sind genervt von dem unfreiwilligen Stopp und der aufgezwungenen Pause und hupen. Viele haben Termine, die sie nun verpassen. Einige unterstützen zwar die Anliegen der Gruppe, halten die Aktion aber für das falsche Mittel. Doch es gibt auch Zustimmung.

"Natürlich will ich durch! Aber was ist das schon! Ich finde es super, wenn Menschen für Recht, Gerechtigkeit, Frieden und Liebe aufstehen. Dann entschleunigt uns das jetzt alle und dann wissen wir, was wirklich wichtig ist im Leben."

Aktivist der Gruppe "Die letzte Generation" blockiert die B31 in Freiburg. (Foto: SWR, Gabi Krings)
Aktivist der Gruppe "Die letzte Generation" blockiert die B31 in Freiburg.

Polizei trägt sechs Menschen von der Straße

Die Freiburger Polizei löste die Blockade der B31 bei der Johanneskirche nach etwa 45 Minuten auf. Etwa sechs Personen wurden von der Fahrbahn weggetragen. Eine von ihnen ist Heidi Trötschler. Die 66-jährige Renterin sieht zivilen Widerstand als einzige Möglichkeit etwas zu verändern. Dass die Polizei sie nun wie eine Verbrecherin erkennungsdienstlich behandelt, nimmt sie in Kauf. Ziemlich aufgeregt war die Mutter und Oma deshalb, in der Nacht konnte sie kaum schlafen. Der Protest allerdings, fühle sich gut an, sagt sie.

"Meine Generation ist für den Zustand der Welt verantwortlich. Ich habe Kinder und Enkel und möchte, dass die auch so glücklich werden wie ich. Ich finde es fantastisch, was die jungen Leute hier auf die Beine stellen. Die wollen ein Zeichen setzen, dass es los geht mit Lebensmittel retten und dem Aufhalten der Klimakatastrophe.“

Die 66-jährige Heidi Trötschler hat sich der Gruppe "Die letzte Generation" angeschlossen. Sie riskiert auch, sich von der Polizei festnehmen zu lassen.  (Foto: SWR, Gabi Krings)
Die 66-jährige Heidi Trötschler hat sich der Gruppe "Die letzte Generation" angeschlossen. Sie riskiert auch, sich von der Polizei festnehmen zu lassen.

Klimaaktivisten rechtfertigen Blockaden als letztes Mittel

“Wir wollen diese Art von Aktionen eigentlich gar nicht machen," so die Freiburger Klimaaktivisten. Sie müssten aber feststellen, dass der von der Regierung eingeschlagene Weg in Richtung Klimakollaps so gefährlich sei, dass er durch Dürren, Fluten und Nahrungsmittelknappheit die öffentliche Ordnung und den Bestand der Zivilgesellschaft die nächsten Jahrzehnte bedrohe. Das Zeitfenster zu handeln, werde immer kleiner.

"Wir sehen diese Art von gewaltfreiem Widerstand derzeit als die einzig wirksame Möglichkeit, Herrn Olaf Scholz an seine Verantwortung zu erinnern, für öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen."

Bereits dritte Aktion von "Aufstand der letzten Generation Freiburg"

In den vergangenen zwei Wochen gab es schon zwei öffentlichkeitswirksame Aktionen in Freiburg. Am vergangenen Montag wurde die B31 bereits an der Kronenbrücke blockiert. Zudem holten Aktivisten bei einer Supermarktkette Lebensmittel aus einem Container, um anzuprangern, dass das zu einer Diebstahlsanzeige führe, während das Wegwerfen von Lebensmitteln nicht strafbar sei.

Banner mit Aufschrift "Aufstand der letzten Generation" (Foto: SWR, Gabi Krings)
Gruppe "Aufstand der letzten Generation Freiburg" blockiert B31 im morgendlichen Berufsverkehr

Ähnliche Blockaden gab es bundesweit auch in anderen Städten, wiederholt etwa auf der Berliner Stadtautobahn. Die Blockierer der Gruppe "Aufstand der letzten Generation" riskieren bewusst, festgenommen zu werden. Über die Legitimität ihrer Aktionen und die Frage, wie weit ziviler Ungehorsam gehen darf, wird gestritten.

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