Plakat (Foto: SWR)

Schweizer Endlagerpläne nehmen Form an

Hohentengen bereitet sich auf Atommüllendlager der Schweiz vor

Stand
AUTOR/IN
Petra Jehle

Vor einem Jahr wurde klar, dass die Schweiz am Rhein bei Hohentengen ein Atommüllendlager bauen will. Nach dem Schock versucht der Ort das Beste aus der Situation zu machen.

Die Menschen in Hohentengen (Kreis Waldshut) am Hochrhein waren empört, als sie im September 2022 erfuhren, dass wenige Kilometer von ihnen entfernt nun doch das Schweizer Atommüllendlager gebaut werden soll. Inzwischen hat sich die Stimmung verändert. Die Vorbereitungen für das Lager laufen und die Menschen vor Ort versuchen das Projekt kritisch zu begleiten.

Wie ist die Stimmung?

Zu einem früheren Zeitpunkt hatten die Experten der Schweizer Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, kurz Nagra, den Standort namens "Nördlich Lägern" in der Nachbarschaft Hohentengens ausgeschlossen. Doch vor einem Jahr wurde klar, genau dort soll das Atommüllendlager nun doch hin. Mittlerweile hat sich die Empörung im Ort gelegt, Ernüchterung ist eingetreten.

"Die Welle der Empörung ist abgeflacht, aber es beschäftigt die Menschen. Wir bleiben an dem Thema dran."

Hohentengens Gemeinderätin Roswitha Drayer (SPD) ist seit vielen Jahren Mitglied in der atomkritischen Bürgerinitiative LoTi (Nördlich Lägern ohne Tiefenlager). Sie engagiert sich auch in der Regionalkonferenz Nördlich Lägern. Diese Regionalkonferenz hat die Schweizer Nagra eingerichtet hat, um Betroffenen vor Ort in das Verfahren miteinzubeziehen. Sie können Fragen stellen, Informationen einfordern und Vorschläge machen.

Im September 2022 hatte der SWR bereits über die Pläne der Schweiz berichtet:

Was tun die Betroffenen?

Dass der Standort bei Hohentengen genehmigt wird, gilt als sicher. Die Frage ist, unter welchen Rahmenbedingungen? Für Roswitha Drayer sind noch viele Fragen offen: vor allem die radiologischen Auswirkungen des Lagers seien noch nicht geklärt und auch die Frage des Grundwasserschutzes sieht sie nicht ausreichend beantwortet. Besonders ärgert sie, wie die Nagra mit der Vorschrift der sogenannten Rückholbarkeit des Atommülls umgeht, also der Bergung des Materials während des Betriebs.

"Die Nagra sagt, wir machen das, obwohl wir das nicht bräuchten. An dieser typischen Nagra Arroganz kann man sich schon stören.“

Karte von der Hochrheinregion um Hohentengen (Foto: SWR)
Bei Stadel im Kanton Zürich, südlich von Hohentengen, soll das Schweizer Atommüll-Endlager entstehen.

Wie wird sich die Region verändern?

Rechtliche Möglichkeiten gegen den Bau des Tiefenlagers in ihrer Nähe hat die Gemeinde nicht. Aber sie hofft, auch in den Verhandlungen um Entschädigungszahlungen mitreden zu können. Um welche Summen es gehen wird, ist noch offen. Die eingesetzte Regionalkonferenz habe gemeinsam ein Konzept entwickelt, das sich mit den Zukunftsvisionen für die betroffene Region beschäftigt, berichtet Bürgermeister Jürgen Wiener.

Bürgermeister rechnet mit Zuzug von Arbeitskräften

Im Fall von Hohentengen gehe es um Wohnungsbau, den Ausbau kommunaler Infrastruktur und die Weiterentwickung des Tourismus. Denn der Bau und Betrieb des Endlagers wird über Jahrzehnte Arbeitskräfte in die Region bringen und das Gebiet zum Forschungsstandort und Wirtschaftsstandort machen, davon ist Wiener überzeugt. Er will das Endlager deshalb auch als Chance für seinen Ort begreifen. Es gehe nicht um Akzeptanz, aber um Toleranz, meint er.

"Ich stehe dem Verfahren offen gegenüber. Dadurch kann man keine Akzeptanz erreichen, aber Toleranz."

Wie geht es weiter?

Derzeit werden die wissenschaftichen Unterlagen ausgearbeitet. Die Nagra spricht von mehr als 1.000 Seiten, auf denen sie begründen wird, warum sie den Standort "Nördlich Lägern" bei Hohentengen für den geeignetsten Standort hält. Nächstes Jahr wird die Schweizer Nagra die Genehmigungsunterlagen, das sogenannte "Rahmenbewilligungsgesuch", den Behörden übergeben. Diese werden die Dokumente prüfen und dem Schweizer Bundesrat sowie dem Parlament zur Abstimmung vorlegen. Danach gibt es in der Schweiz die Möglichkeit einer Volksabstimmung. Wird ein solches Referendum ergriffen, wovon auszugehen ist, dauert es bis zum Start der ersten Bauarbeiten zwischen acht und zehn Jahre.

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