Der evangelische Pfarrer von Weisweil Günter Richter hatte am 8. Februar 1972 einen Vortrag organisiert. Zu Gast war der Atomphysiker Hans Klumb. Es war die erste öffentliche Informationsveranstaltung am nördlichen Kaiserstuhl zu den Gefahren der Atomenergie, denn im wenige Kilometer entfernten Wyhl sollte ein Atomkraftwerk entstehen.
"Es waren vier Kernreaktoren mit je 1.200 Megawatt geplant, also eine unheimliche Masse hier an diesem Ort! Für mich war die Initialzündung NEIN zu sagen, als ich von Professor Klumb hörte, es ist ein Verbrechen, die Atomenergie zur zivilen Nutzung hier in Aktion treten zu lassen."
Kaiserstühler wollten kein AKW vor der Haustür
Die Ausführungen des Atomexperten überzeugten den heute 86-Jährigen, der dem geplanten AKW von jener Stunde an den Kampf ansagte. Auch die anderen Menschen im vollgefüllten Gemeindesaal von Weisweil wollten damals nach dem Vortrag kein AKW vor ihrer Haustür haben. Viele gingen auf die Barrikaden. Tausende Flugblätter wurden verteilt um weitere Menschen zu mobilisieren.

Nai hämmer gsait: Gedenkstein an ehemaligem Bauplatz
50 Jahre später steht Günter Richter am Rand des Geländes, wo das AKW gebaut werden sollte. Heute ein idyllisches Naturschutzgebiet. Ein Gedenkstein mit dem damaligen Kampfspruch "Nai hämmer gsait" erinnert an die Zeit. Auch andere Mitstreiter sind gekommen:
"Vor fast 50 Jahren haben wir hier den Platz besetzt. Damals waren am Oberrhein dutzende von Kernkraftwerken geplant, alle 15 Kilometer von der Schweiz bis Karlsruhe."
Tausende haben sich mit dem Wyhl-Protest solidarisiert
Bernd Nössler war als Anfang 20-Jähriger an dem Protest beteiligt. Der ehemalige Bäcker erzählt, wie Frauen aus der Region 1975 die Baumaschinen besetzt hatten. Menschen aus der Schweiz, dem Elsass, dem Kaiserstuhl und aus Freiburg hätten sich solidarisiert und die Bauarbeiten verhindert.
"Dann entsprechend später begann der Polizeieinsatz, die Räumung des Geländes. Große Demonstrationen, zehntausende von Menschen sind hierher gekommen und haben Zivilcourage gezeigt."
Polizei musste abrücken - AKW-Projekt Wyhl wurde begraben
Und das nicht umsonst. Angesichts der friedlich demonstrierenden Menge kapitulierte der Staat. Günter Richter ist bis heute ergriffen-
"Eine große Dankbarkeit beseelt uns immer noch: von diesem kleinen Anfang hier eine solche Protestbewegung in Gang gebracht zu haben, die dann auch so beeindruckend war, dass auch der Staat, das Land Baden-Württemberg und auch das Badenwerk als Stromerzeugungsfirma sich nicht dagegen wehren konnte."
Neuer Protest wegen "grünem" Atomstrom angekündigt
Der Wyhl-Protest ist zu einer breiten Bürgerbewegung gegen Atomkraft und für Umweltschutz am Oberrhein geworden. Auch die Stilllegung des jahrelang bekämpften Atomkraftwerks Fessenheim wäre ohne Wyhl nicht denkbar. Und der Protest geht weiter: Günde gibt es viele. Nicht zuletzt die Ankündigung der EU, Atomstrom zur grünen Energie zu deklarieren
