Ein Arzt aus Stühlingen hilft an der polnisch-ukrainischen Grenze den Geflüchteten (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/BELGA | Nicolas Maeterlinck)

Auf eigene Faust

Arzt aus Stühlingen hilft an der polnisch-ukrainischen Grenze

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Etwa zwei Millionen Menschen sind wegen des Kriegs auf der Flucht. Peter Haarmann, Arzt aus Stühlingen, hilft an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Seit zwei Wochen herrscht Krieg in der Ukraine. Viele Menschen flüchten von dort ins Nachbarland Polen. Peter Haarmann ist seit ein paar Tagen an der Grenze. Eigentlich hat er eine Arztpraxis in Stühlingen (Kreis Waldshut), wollte aber den an der Grenze ankommenden Menschen helfen. In einem Interview berichtet er uns von seinem Erlebten.

SWR Aktuell: Herr Dr. Haarmann, was sehen sie denn aktuell? Beschreiben Sie doch mal Ihre Eindrücke für uns?

Dr. Peter Haarmann: Wir sind jetzt seit vier Tagen hier oben an der Grenze und wir sehen nicht abreißende Flüchtlingsströme mit entkräfteten, erkrankten und psychisch stark belastenden Menschen. Vor allem Frauen mit Kindern und auch ältere Menschen. Männer so gut wie keine.

Ukrainische Geflüchtete sind häufig schwer traumatisiert

Sie sprechen natürlich auch mit den Menschen. Wie erleben Sie die Menschen und was erzählen sie?

Die Konversation ist etwas erschwert, da wir in unserem Team niemanden haben der deren Landessprache spricht. Es ist so, dass wir ab und zu ein paar Dolmetscher vor Ort haben, welche übrigens immer mal wieder selbst Geflüchtete sind, die dann zu uns kommen. Frauen, die fragen, wo sie uns noch helfen können. Es ist ziemlich schwierig. Die Damen sind häufig schwer traumatisiert und kümmern sich liebevoll um ihre Kinder. Wenn man sie aber in einem Moment erwischt, in dem wir zum Beispiel ihrem Kind ein Überraschungsei in die Hand gedrückt haben und man fragt, ob man für die Frauen was tun kann, dann kommen die Tränen in die Augen und sie drehen sich dann ab und gehen weg.

Frauen transportieren Medikamente in ukrainische Militärkrankenhäuser

Sie sind als Arzt dort. Wie können Sie denn aktiv helfen?

Ich kann die Menschen hier teilweise untersuchen und entsprechende Medikation für sie herausgeben. Darüber hinaus haben wir sehr viele Medikamente mitgenommen, die wir zu einem nicht unerheblichen Teil hier an die Menschen verteilen, die das natürlich alles nicht dabei haben. Zum Beispiel Medikamente für veränderte Hautsituationen durch die Kälte. 36 Stunden in der Kälte stehen bringt so einiges mit sich. Durchfallerkrankungen, die jetzt so langsam beginnen. Hier kommen auch immer wieder Lkw-weise Hilfslieferungen medizinischer Natur an. Ich bin, so wie das hier aussieht momentan, der einzige Arzt an dieser Stelle, der dann diese Dinge trennt. Einige Präparate und Hilfsmittel werden direkt in die Ukraine gehen, in die Militärkrankenhäuser. Wir haben dort schon einen Kontakt aufgebaut, von denen Fahrer hier rüberkommen. Das sind übrigens auch Damen, die dann mutig wieder rüber fahren in die ukrainischen Militärkrankenhäuser.

Hilfsaktion eines Stühlinger Unternehmers hat den Arzt animiert

Wie ist es denn zustande gekommen, dass Sie jetzt an der Grenze sind?

Wir haben - wie wir alle - am Wochenende von diesen schrecklichen Ereignissen gehört und dann hat in unserem Heimatort in Stühlingen ein Unternehmer angefangen zu sammeln, um mit Lkws die Sachen rüberzufahren. Da habe ich gedacht, da kann ich nicht viel beitragen. Aber ich fahre selber rüber und als ich das in der Praxis ausgesprochen hatte, hat einer meiner Mitarbeiter sofort gesagt: Ich komme mit.

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Hat man da nicht auch so ein bisschen Angst, wenn man dann dem Krieg so nahe ist?

Nein. Ganz klare Antwort. Aber wir wissen, dass einige um uns Angst haben. Das ist auch etwas, das wir wahrnehmen und auch damit umgehen. Wir versuchen immer wieder zu vermitteln, dass wir uns hier sehr sicher fühlen. Direkt Angst haben wir nicht. Da sind ganz andere Emotionen viel mehr im Raum, die uns beschäftigen.

Stühlinger Arzt: Geldspenden an Hilfsorganisationen sind ganz wichtig

Was möchten Sie den Menschen in Südbaden mitgeben oder auch sagen?

Im Grunde genommen kann ich nur dazu aufrufen, dass wir weiterhin diesen Menschen, die von diesem Krieg so gebeutelt sind, dass wir die weiter unterstützen. Unterstützen heißt momentan, dass man sich vertrauenswürdigen Hilfsorganisationen anschließt. Wo dann die Gelder, die nachher dann letzten Endes gebraucht werden oder medizinische Produkte, Pflegeartikel oder Hygieneprodukte, dass die wirklich an die Stellen kommen, wo sie hinsollen und zwar auch direkt, dass ist das Entscheidende. Aber bitte, bitte spenden Sie weiter. Spenden Sie vor allem finanzielle Mittel. Wir bauen hier oben auch Verbindungen auf, um dann auch später, wenn wir hier nicht mehr sind, sondern wieder in Stühlingen unseren Praxisbetrieb aufnehmen, dass wir trotzdem weiter helfen können.

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