Es gibt auch Ortskräfte, die für die Bundeswehr gearbeitet haben und denen es gelungen ist, nach Deutschland zu kommen, bevor die Taliban Kabul eingenommen haben - also, als der Flughafen noch normal funktionierte. Die SWR- Reporterinnen Charlotte Schönberger und Bettina Fieger haben einen Mann getroffen, der seit einem Monat in Bad Säckingen (Kreis Waldshut) in Sicherheit ist.
Sein Name ist Muradi, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen und vor allem möchte er nicht erkannt werden. Zu groß seine Angst, dass er auch hier - tausende Kilometer von Kabul entfernt - nicht in Sicherheit sein könnte vor den Taliban. Er ist in großer Sorge um seine Mutter und seine Schwestern: "Ich konnte tagelang nicht mehr schlafen, als ich die Nachrichten gehört habe. Ich habe geweint, alleine in meinem Zimmer. Habe an sie gedacht und was jetzt mit ihnen passieren wird. Sie werden meine Familie bestrafen, gefangen nehmen oder versuchen, sie zu erpressen, dass sie mich anrufen, dass ich zurück kommen soll."
Bundeswehr-Helfer gelang Flucht - die Familie muss bleiben
Als Muradi vor vier Wochen Afghanistan verlassen konnte, musste er seine Familie zurücklassen. Er ist sehr dankbar, dass er in Deutschland sein kann. Doch nur Ehepartner und Kinder dürfen nachkommen, so der Beschluss der Bundesregierung. Schrecklich für ihn, denn seine Familie sind seine Mutter und seine Schwestern: "Ich bin sehr enttäuscht. Ich habe ihnen gesagt, dass das meine einzige Familie ist, die ich habe. Deshalb habe ich gesagt, sie sollen sie hierher bringen mit mir, aber sie haben gesagt: Nein, sie haben nicht die Autorität das zu entscheiden."

"Jetzt zeigen die Taliban Gnade - das wird sich später ändern"
Muradi gehört zur Minderheit der Hazara, er ist Schiit und schon als Kind hat er den Terror und die Gewalt der Taliban kennengelernt. Bis heute verüben die Taliban Anschläge auf diese Ethnie. Im Moment, sagt Muradi, zeigten sich die Taliban zwar gemäßigt. Er aber glaubt, dass die Gewalt wieder ausbricht, wenn die Weltöffentlichkeit nicht mehr hinschaut: "Es sind dieselben Taliban wie 2001. Jetzt zeigen sie Gnade, aber das wird sich später wieder ändern." Von Freunden habe er gehört, dass sich in seiner Heimatstadt niemand mehr auf die Straße traut. Die Familien versteckten sich, vor allem ihre Töchter.
Ortskraft der Bundeswehr verzweifelt wegen Ohnmächtigkeit
Schon früher hätten die Taliban auf den Dörfern die Häuser durchsucht, Mädchen und junge Frauen mitgenommen. Muradi, der ehemalige Mitarbeiter der Bundeswehr in Afghanistan, ist verzweifelt, weil er nichts tun kann: 15 Jahre habe ich der Bundeswehr geholfen - jetzt ist es an ihnen, uns zu helfen. Dass wir ein besseres Leben haben, mit der ganzen Familie. Sie müssen uns helfen, dass meine Familie hierher kommen kann."