Mit dem Fahrrad über die Alpen nach Italien an den Comer See (Foto: SWR, Michael Hertle / Finn Bauer / Lasse Hertle)

Alpencross per Wadenkraft

Reisetipp: Von Südbaden nach Italien - mit dem Fahrrad über die Alpen

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Michael Hertle

Auf der Suche nach einer Herausforderung? Dann ist die Alpenüberquerung vielleicht was für Sie. Tipps, Tricks und die schönsten Routen gibt es hier.

SWR-Autor Michael Hertle hat es getan – und das schon zum dritten Mal: Die Alpen mit dem Fahrrad überquert. Prädestiniert für den Start der Tour ist Südbaden: Keine allzu langen Anfahrtswege, kein extra Anfahrtstag, zwei bis maximal vier Stunden Zugfahrt, und schon ist man mittendrin im Alpencross. Aber worauf müssen Radfans sonst achten? Unser Autor gibt Antworten.

Was ist die beste Route?

Welches Rad brauche ich?

Was darf ich nicht vergessen?

Und schaff ich das überhaupt?

Die Routen

Von Südbaden aus gesehen gibt es prinzipiell drei empfehlenswerte Routen - über den Splügenpass, den Albula- und den Bernina-Pass oder über den San Bernardino. Je nachdem, wie viel Zeit man hat, ist der Start für alle drei Routen derselbe. Von Freiburg aus gesehen kann man zum Beispiel in St. Margrethen am Bodensee starten und den Rhein entlang gemütlich einrollen. Dann bietet sich eine erste Bergetappe über den Kunkelpass an. Wer weniger Zeit hat, der fährt mit Zug bis Chur oder Thusis. Die Albula-/Bernina-Route biegt in Thusis ab, die Splügen-Route nach der spektakulären Fahrt durch die Via Mala im Dorf Splügen. Geradeaus weiter geht es über den San Bernardino. Grundsätzlich sind die Routen in der Schweiz (BR = Bike route und dann eine Nummer) hervorragend ausgeschildert.

Tipp: Im Sommer nehmen in der Schweiz auch die Postbusse Fahrräder mit, es gibt also für alle drei Strecken einen Notfallplan.

Route eins: über den Splügenpass

Wir, meine zwei Söhne und ich, sind diesmal von Rhäzüns bei Chur über den Splügenpass bis an den unteren Comer See gefahren: in anderthalb Tagen 150 Kilometer mit einer Übernachtung in Splügen. Von dort bis zum Pass sind das knapp 700 Höhenmeter auf 9 Kilometern, 24 Serpentinen bergauf, das ist knackig. Aber das Gefühl ist fantastisch. Die Bergkulisse ist grandios. Und wenn man den Pass genommen hat, kommt die Abfahrt nach Italien runter an den Lago di Como. Das sind 2.000 Höhenmeter Abfahrt, ein einziger Rausch. Wenn man unter der Woche fährt, dann sind da auch kaum Motorradfahrer unterwegs.

Route zwei: über den Albula- und den Berninapass

Die zweite Route führt über den Albula und den Berninapass. Das ist einen Fahrtag weiter und es sind zwei Pässe zu meistern, aber die Aufstiege sind weniger hart und man hat einen Plan B: Wenn es den Waden zuviel wird, kann man jederzeit in die Albula und Bernina-Bahn steigen und ein Stück mit dem Zug auf einer spektakulären Bahnstrecke fahren.

Route drei: über den San Bernardino

Die dritte Möglichkeit ist über den San Bernardino Richtung Lago Maggiore. Abraten möchte ich vom Gotthard-Pass. Die Nationalstraße über den Pass kann man nur in Teilen vermeiden und die ist sehr stark befahren. Und noch ein ganz grundsätzlicher Hinweis für die Streckenplanung: Die Alpensüdseite ist deutlich steiler als die Nordseite, die Alpenüberquerung von Nord nach Süd deshalb die bequemere.

Das Rad

Das ist eine Frage der persönlichen Vorlieben. Meine Jungs hatten diesmal Rennräder, ich ein Gravel-Bike. Das macht Tempo, aber man braucht auf jeden Fall eine bergtaugliche Übersetzung, sonst ist es zu anstrengend. Wenn man gerne abseits der Straßen das Rheintal hoch möchte auf den (nicht asphaltierten) Fahrradwegen entlang des Rheins, dann ist das Mountain-Bike bequemer.

Eins sollte man sich grundsätzlich klar machen: Je näher man den Pässen kommt, desto mehr Straße fährt man. Denn einen abgeschiedenen, fahrradtauglichen Trail über die Alpen gibt es nicht. Noch ein grundsätzlicher Hinweis für alle Mountainbike-Fans: Auf der Schweizer Seite sind die Forstwege in hervorragendem Zustand, auf der italienischen Seite trifft man da schon mal größere Löcher und wählt für die Abfahrt vielleicht doch eher die Straße.

Geht Alpencross auch elektrisch?

Auch für E-Bike-Fahrer und -Fahrerinnen ist eine Alpenüberquerung möglich, auch wenn bisher auf den Pass-Straßen nur wenige elektrisch unterwegs sind. Man muss nur genau die Akku-Kapazitäten planen, denn die Höhenmeter verbrauchen viel Energie und auf dem Anstieg zum Pass gibt es keine Ladestation. Schieben sollte man vermeiden. Für die genaue Berechnung der Akkukapazität gibt es im Netz Reichweiten-Rechner. Wichtig: mit großer Sicherheitsmarge kalkulieren.

Was darf ich nicht vergessen?

Wenn man sich für eine Route entschieden hat, dann sollte man als allererstes die Fahrradplätze im Zug reservieren. Die sind rar und schnell ausgebucht. Zum Beispiel im Morgen-ICE von Freiburg nach Chur und vor allem zurück von Lugano nach Basel.

Reise mit wenig Gepäck

Wichtig: das Gepäck sollte man so minimalistisch wie möglich halten. Schwere Packtaschen mit Zelt & Co den Pass hochzuschaffen, ist hart. Da zählt jedes Gramm. Wir hatten nur Radbekleidung dabei, noch nicht einmal ein zweites Paar Schuhe. Wichtiger ist eine wärmende Jacke und lange Leggings für die Abfahrt - auf 2.200 Meter kann es auch im Sommer kalt werden.  

Schaffe ich das überhaupt?

Ein bisschen Radfahrkondition sollte man schon haben. Wer sich zum ersten Mal nach Monaten des Home-Office (wieder) aufs Rad setzt, der sollte vorab ein paar Bergrunden drehen. Aber wer in Freiburg am Nachmittag mal eben auf den Schauinsland radelt, den können die Alpen nicht aufhalten. Man muss sich einfach trauen.

„Und wo fährst Du heute hin?“

Eine kleine drahtige Schweizerin, die oben auf dem Splügenpass das Foto von uns gemacht hat, soll da Ansporn (aber nicht Maßstab) sein: Auf die Frage: „Und wo fährst Du heute hin?“, meinte sie lakonisch: „Ich bin heute in Chur los, über den Splügen, jetzt fahr ich runter nach Chiavenna. Dann den Maloja wieder rauf und zum Schluss noch auf den Bernina und wieder nach Hause nach Chur.“ Das sind 4.000 Höhenmeter! Also: Alles ist möglich.

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Michael Hertle