Was im November 2023 im Wohnzimmer der Familie von AfD-Kreisrätin Andrea Zürcher in Stühlingen (Kreis Waldshut) genau passiert ist? Darüber gibt es zwei sehr unterschiedliche Versionen. Sicher ist: Dem Ganzen ging ein Streit voraus, bei dem ein Familienmitglied der Zürchers von mehreren Männern angegriffen und geschlagen wurde. Gegen diese Täter läuft ein eigenes Verfahren vor dem Jugendgericht.
Junger Mann geschockt
Unstrittig ist: Noch in der Nacht hatte Andrea Zürcher einen damals 19-Jährigen, der das Geschehen miterlebt hatte, angerufen und für ein Gespräch in ihre Wohnung geholt. Als Hauptzeuge schilderte er vor dem Amtsgericht Waldshut-Tiengen, dass und wie die AfD-Kreisvorsitzende mit einer täuschend echt aussehenden Schreckschusswaffe auf ihn gezielt habe. Sie habe Druck ausgeübt, um die Namen der Angreifer zu erfahren. Der Zeuge sei glaubwürdig und sein Schock über die Bedrohung belegbar, so die Richterin. Über sein Mobiltelefon hatte er seine Freunde informiert und ihnen geschrieben, dass er nicht mehr aus der Wohnung komme und sie eine Waffe habe.
Hey Bro, die steht mit einer Waffe vor mir.
Zürcher: Schreckschusswaffe zum Eigenschutz
Andrea Zürcher sprach im Gericht von "utopischen Vorwürfen". Weitere Angaben machte sie zu den Geschehnissen nicht. Ihr Anwalt erklärte, mit der Schreckschusswaffe habe sie dem damals 19-Jährigen lediglich demonstrieren wollen, wie beängstigend die Situation für die Familie sei. Das Gespräch mit dem Mann sei friedlich gewesen, bestätigten der Familienangehörige und dessen damalige Freundin im Gerichtssaal. Sie habe die Waffe nur gezeigt, aber nicht auf den jungen Mann gezielt.

Staatsanwalt: Zeuge ist glaubwürdig
Das ist eine Version des Abends, welche die Staatsanwaltschaft nicht glaubt. Der 19 Jahre alte Mann sei mit dem Familienangehörigen bis zu diesem Vorfall befreundet gewesen. Er habe kein Motiv, die Familie zu belasten und vor Gericht keinen Belastungseifer an den Tag gelegt. Vielmehr habe ihn das Geschehen noch lange beschäftigt. Er sei deshalb auch einen Tag später nochmal zur Polizei. Die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen hatte gegen Andrea Zürcher einen Strafbefehl erlassen. Weil die Beschuldigte Widerspruch eingelegt hatte, kam es zu dem öffentlichen Prozess.
Der Zeuge war schockiert und es hat ihn beschäftigt.
Politikerin legt Berufung ein
Neben zahlreichen Journalisten wurde der Prozess auch von Anhängern und Parteifreunden der AfD-Kreisvorsitzenden beobachtet. Und so ist es wahrscheinlich, dass das Interesse bei dem voraussichtlich nächsten Verfahren in zweiter Instanz hoch bleiben wird. Die Voraussetzung hat die Waldshuter AfD-Kreisrätin Andrea Zürcher dafür bereits geschaffen: Sie hat Berufung eingelegt.