Bullerbü, Grünen-Hochburg, Eldorado der Öko-Spießer - der Freiburger Stadtteil Vauban genießt einen speziellen Ruf. Sein Verkehrs-, Wohn- und Energiekonzept galt Ende der 1990er Jahre als wegweisend und begründete Freiburgs Image als "Green City". Immer noch pilgern Touristen, Schulklassen und Stadtplaner aus aller Welt in Scharen hierher. Doch der Musterknabe hat ein paar Fältchen bekommen. Die Bewohner altern - und die Autodichte wächst. Bei der jüngsten Europawahl kamen die Grünen "nur" noch auf 46 Prozent. Bei der Landtagswahl 2011 waren es über 70 Prozent gewesen.
Ruhig, grün, kinderfreundlich - das Vauban ist überaus begehrt
Grün ist das Vauban aber immer noch. Vor allem jetzt im Sommer. Die Straßenbahn schwebt über einen Rasenteppich, daneben wuchern Wildwiesen und blühen alte Linden. Üppige Vorgärten schwappen auf die autofreien Seitenstraßen, Balkons und Laubengänge quellen über vor Blumen und Ranken. Zwischen bunten Holzfassaden und Solardächern breiten sich dicht bewachsene Grünstreifen mit Spielplätzen aus.
So berichtete SWR Kultur am 28.6.2024:
Wohnen hier ist extrem teuer geworden - teilweise
Almut Assan ist eine Bewohnerin der ersten Stunde. Sie schätzt das Viertel, weil "es sehr grün ist, sehr ruhig, sehr viel gute Infrastruktur zum Einkaufen hat". Aber sie sagt auch: "Es ist bequem geworden - und sehr teuer." Das macht ihr Sorgen. Inzwischen könne man "ohne dicken Geldbeutel" nicht mehr hier wohnen. Das Vauban drohe, zum Luxusviertel zu werden.
"Die Preise hier sind explosionsartig nach oben gegangen", bedauert auch Wulf Daseking. Freiburgs ehemaliger Stadtplaner hat das Vauban damals mit konzipiert. Wegen der hohen Lebensqualität seien viele bereit, "jeden Preis zu zahlen" - selbst grüne Stammwähler. Dazu kommt, dass der städtisch geförderte Wohnraum schmilzt. Von anfangs rund 400 Sozialwohnungen im Vauban sind laut Stadtverwaltung heute noch 290 übrig. In den nächsten Jahren werden weitere Wohnungen aus der befristeten Bindung fallen.
Das Durchschnittsalter der Bewohner steigt deutlich an
Das Vauban ist in die Jahre gekommen. Das Durchschnittsalter ist in wenigen Jahren von knapp 30 auf 38 Jahre gestiegen. Die Pkw-Dichte im autoreduzierten Stadtteil liegt mittlerweile bei etwa 270 pro 1.000 Einwohner - drei Mal höher als in den Anfangsjahren. Parken müssen Autos jedoch hauptsächlich in den großen Parkhäusern am Rand des Viertels. Die meisten Straßen des Vauban sind autofrei.
Diese Entwicklung beobachtet auch der rührige Stadtteilverein Vauban. Allerdings mit etwas weniger Sorge. Denn ein Großteil der Wohnungen ist in der Hand von Baugruppen und Genossenschaften. Und die, sagt Reinhild Schepers vom Vereinsvorstand, kümmerten sich häufig um faire Mieten, etwa mit eigenen Sozialfonds. "Unsere Hausversammlung hat neulich sogar eine Mietsenkung beschlossen", sagt Vorstandskollege Erich Lutz. Grund: Die Kredite für den Hausbau sind inzwischen abbezahlt, so dass mehr Geld in der Kasse der Genossenschaft ist. Nur ein kleiner Teil der Wohnungen im Vauban gehört kommerziellen Vermietern und wird - entsprechend teuer - auf dem freien Markt gehandelt.
Die Energiekrise war hier weniger spürbar als anderswo
Und das nachhaltige Konzept des Öko-Viertels? Ist das auch in die Jahre gekommen? Nein, sagt Reinhild Schepers. Die Plus-Energie-Häuser der Solarsiedlung und die vielen Passivhäuser setzten auch heute noch Maßstäbe. Und sorgten auch während der Energiekrise zuverlässig für niedrige Nebenkosten.
"Mich erstaunt, dass dieses Modell in allen Ecken der Welt bekannt ist, dass viele Leute hierher reisen, dass sie es ganz toll finden, aber die Umsetzung hapert", sagt der frühere Stadtplaner Wulf Daseking. "Natürlich können Sie bei der Energieversorgung oder der Wohnungskonzeption noch draufsatteln." Aber die Idee eines verkehrsreduzierten Stadtteils mit dichter Bebauung, viel Grün, Solaranlagen und Versickerungsgräben für Regenwasser sei bis heute fast nirgends so konsequent umgesetzt wie im Vauban.
Bewohner haben das Viertel mit entwickelt
Das liegt wohl auch daran, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner seinerzeit intensiv an den Planungen beteiligt haben. Ausgehend von Studierenden, die ehemalige Kasernengebäude in Beschlag nahmen und umbauten, entwickelte sich eine breit angelegte Bürgerbeteiligung. "Wir haben versucht, die Gestaltung der Häuser nicht zu verordnen, sondern mit den Leuten zu besprechen", sagt Daseking. Das Ergebnis ist eine vielfältige Architektur, die den besonderen Charme des Viertels ausmacht.
Fahrräder statt Autos bestimmen das Ortsbild
Wenn der ehemalige Stadtplaner heute durch das Vauban spaziert, dann fühlt er sich an seine Kindheit in seinem niedersächsischen Heimatstädtchen erinnert. Statt mit Jägerzäunen und Schottergärten sind die Häuser von einladenden Vorgärten gesäumt. Anstelle von parkenden Autos gibt es Sitzgruppen oder Spielzeug. "Ich finde es immer toll, wenn die Straßen hier nach Schulende voller Kinder mit Fahrrädern sind", sagt Daseking. Ein bisschen so wie früher, als es noch nicht so viele Autos gab.