Am 19. Februar hat der baden-württembergische Landtag für die Gesetzesänderung abgestimmt. Eine neue Kontrollgruppe im Regierungspräsidium Karlsruhe soll Kommunen bei Kontrollen in Spielhallen unterstützen, außerdem soll bei der Landesstelle für Suchtfragen BW eine neue Fachstelle für Glücksspielsucht eingerichtet werden. Dazu kommt aber auch, dass Online-Glücksspiel für Menschen aus Baden-Württemberg legal werden soll: Die staatliche Lotteriegesellschaft Toto-Lotto darf als einziger Anbieter sogenannte Online-Casinospiele auf ihrer Website anbieten. So sollen Spieler nicht von illegalen Anbietern abhängig sein, die sich nicht ausreichend um Jugend- und Spielerschutzregeln kümmern.
Suchtberater kritisiert Entscheidung des Landtags
Martin Epperlein ist Suchtberater bei der Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart. Einerseits begrüßt er die Aufmerksamkeit für das Thema und die Regelungen zum besseren Jugend- und Spielerschutz. Andererseits sieht er die Legalisierung von Online-Casinos kritisch. Ein legales Angebot schütze nicht vor Abhängigkeit. "Der illegale Markt ist sicherlich ein Teil des Problems. Ich erlebe aber in der Praxis, dass die Betroffenen, wenn sie zum Beispiel durch legale Angebote begrenzt werden, ausweichen und in illegale Angebote abwandern, ganz konkret gesprochen: dort spielen, wo sie nicht gesperrt sind", sagt Epperlein im Interview mit dem SWR.
Das Problem werde mit einer geschützten Plattform nicht gelöst, sondern eher verschoben: "Die Gründe sind natürlich Sicherheit, Legalität das Gefühl, dass alles in Ordnung sei. Das kann ich als Suchtexperte so nicht unterstreichen. Es handelt sich um ein gefährliches Gut, dass da auch angeboten wird", so der Suchtexperte.
Von morgens bis abends am Spielautomaten 8.000 Glücksspielsüchtige allein in Mannheim - Dirk S. hat den Ausstieg geschafft
1,3 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Spielsucht. In Mannheim gibt es etwa 8.000 Spielsüchtige. Dirk S. war einer von ihnen, seit kurzem ist er "spielfrei".
Glücksspiel um Geld: Immer mehr Jugendliche betroffen
Die restlichen Maßnahmen der Gesetzesänderung begrüßt Epperlein, er wünscht sich aber noch mehr Aufmerksamkeit seitens der Landesregierung, insbesondere beim Thema Prävention und Jugendschutz. Die meisten Menschen, die sich bei ihm Hilfe suchen, seien 25 Jahre alt und älter, die Anzahl der Minderjährigen, die spielen, wächst jedoch. Und das, obwohl es ihnen gesetzlich nicht erlaubt ist. Eine repräsentative Umfrage vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) Hamburg aus dem Jahr 2023 zeigt, dass jeder Zehnte im Alter von 16 und 17 Jahren in den vergangenen zwölf Monaten an einem Glückspiel mit Geld teilgenommen hat. 2021 waren es noch 7 Prozent. Das deckt sich auch mit Epperleins Erfahrung als Suchtberater: Ihm zufolge ist die Zahl der Anfragen für Suchtberatung auch bei Minderjährigen gestiegen.
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Immer mehr Jugendliche rauchen. Vor allem E-Zigaretten und Shishas sind trendy. Die Suchtberatung im Kreis Waldshut klärt auf - im Klassenzimmer, aber auch in der Kletterhalle.
Wunsch nach mehr Präventionsmaßnahmen gegen Spielsucht
Martin Epperlein wünscht sich mehr Präventionsmaßnahmen. Vor allem junge Männer müsse man in Vereinen und Schulen erreichen, aber auch Online-Hilfsangebote schaffen. Wer spielsüchtig ist oder jemanden kennt, rät er: "Versucht mit jemandem ins Gespräch zu kommen, dem ihr vertraut. Vielleicht der Kumpel und vielleicht nicht unbedingt jemand, der euch dafür verurteilen würde. Oder ihr sucht eine Beratungsstelle auf. Die sind neutral und kostenlos. Jeder kann, der möchte, übers Telefon, online oder auch tatsächlich hier vor Ort Beratung in Anspruch nehmen."