Ein Regionalzug des privaten Bahnbetreibers Abellio fährt vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)

Finanzspritze vom Landesverkehrsministerium

Trotz Geldproblemen: Abellio soll noch bis Ende 2021 in BW fahren

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SWR Reporter Frieder Kümmerer

Bis Dezember will das baden-württembergische Verkehrsministerium Abellio unter die Arme greifen. Solange soll Abellio den Bahnbetrieb aufrecht erhalten - was dann kommt, ist völlig offen.

Es sieht nicht gut aus für den Verkehrskonzern, der unbedingt in Deutschland expandieren wollte. Zum 1. Oktober endet das Schutzschirmverfahren von Abellio. Trotzdem soll es danach erstmal weitergehen. Man habe sich auf eine sogenannte Fortführungsvereinbarung in Baden-Württemberg geeinigt, teilten das Verkehrsministerium und Abellio mit. Dabei geht es um die Strecken im Stuttgarter Netz und Neckartal.

Land bezuschusst Abellio die kommenden drei Monate

Oberste Priorität für das Land sei die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs, so das Verkehrsministerium. Pendler und Reisende sollen möglichst nicht bei ihren Fahrten eingeschränkt werden. Daher werde Abellio auch noch das verbleibende Jahr in Baden-Württemberg fahren, allerdings nur durch die finanzielle Unterstützung vom Ministerium. Das Ministerium spricht in diesem Zusammenhang von einer Finanzspritze im "niedrigen einstelligen Millionenbetrag", zeitlich beschränkt auf die Monate Oktober bis Dezember.

Wer fährt ab 2022 auf den Abellio-Strecken im Stuttgarter Netz und Neckartal?

Zum neuen Jahr könnte für Abellio in Baden-Württemberg Schluss sein. "Wir möchten unsere Verträge erfüllen. Wir möchten weiter fahren", so ein Sprecher von Abellio gegenüber dem SWR. "Aber dafür muss der Bahnbetrieb für uns auch wirtschaftlich rentabel sein." Sprich: Abellio will mehr Geld. Das hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) schon zu Beginn der Gespräche ausgeschlossen. Das Verkehrsministerium habe nicht die finanziellen Mittel, um langfristig dem Unternehmen in Baden-Württemberg unter die Arme zu greifen. Auch vergaberechtlich wäre das schwierig.

Ein Zug des Betreibers Abellio fährt am Stellwerk des Stuttgarter Hauptbahnhofs vorbei. (Foto: IMAGO, imago/Arnulf Hettrich)
Ein Bild, das vielleicht bald der Vergangenheit angehört: Ein Zug des Betreibers Abellio fährt am Stellwerk des Stuttgarter Hauptbahnhofs vorbei.

In der offiziellen Stellungnahme des baden-württembergischen Verkehrsministeriums und von Abellio vom Freitag hieß es, dass man zusammen "eine langfristige Lösung über das Jahresende hinaus erarbeiten" wolle. Das Ministerium zeigte sich zuversichtlich, einen Weg zu finden, "damit die Verkehre dauerhaft bedient werden können, ohne dass es zu Beeinträchtigungen für die Fahrgäste und auch zu keiner Gefährdung der Arbeitsplätze der Abellio-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter kommt".

Kommt eine Notvergabe?

Ein weiteres mögliches Szenario: Mit einer sogenannten Notvergabe könnte das Verkehrsministerium ab 2022 vorrübergehend einem Verkehrsunternehmen den Betrieb der acht Abellio-Strecken auferlegen. Für alle Kosten müsste dann das Land aufkommen, bis die Strecken neu ausgeschrieben und vergeben worden sind. Rein theoretisch könnte diese Notvergabe auch wieder an Abellio gehen. Das dürfte aber unwahrscheinlich sein. "Eine Verpflichtung zum Bahnbetrieb ist nicht unser Ziel", so Abellio gegenüber dem SWR. Also könnte es andere Unternehmen treffen, wie die Bahn oder auch den Abellio-Konkurrenten Go Ahead. Dieser wollte sich bisher dazu nicht äußern, auch nicht auf die Frage, ob Go Ahead bereit wäre, die Linien von Abellio zu übernehmen. Eine Notvergabe durch das Land wäre nur vorübergehend, die acht betroffenen Linien müssten in der Zwischenzeit neu ausgeschrieben und vergeben werden.

Worum geht es?

Abellio betreibt gegenwärtig acht Linien in Baden-Württemberg. Darunter ist seit 2019 das Stuttgarter Netz mit Verbindungen zwischen Stuttgart, Pforzheim, Heilbronn, Mannheim und Tübingen. Doch immer wieder hatte das Unternehmen mit Problemen zu kämpfen: Triebfahrzeuge, die nicht rechtzeitig geliefert worden sind, sorgten für hohe Kosten durch Ersatzfahrzeuge. Ebenso wie Baustellen, die zu Verspätungen und Zugausfällen führten. Bisher seien die Verluste durch den niederländischen Mutterkonzern ausgeglichen worden, hieß es von Abellio. Am 30. Juni hat das Unternehmen dann in Berlin den Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt. Dabei handelt es sich ein Sanierungsverfahren im Rahmen des Insolvenzrechts, welches zum 1. Oktober endet. Löhne und Gehälter für die rund 3.100 Beschäftigten sind in der Zeit des Verfahrens durch die Bundesagentur für Arbeit abgesichert.

Ein Zug von Abellio steht am Gleis (Foto: IMAGO, imago/Arnulf Hettrich)
Weil die bestellten neuen Züge von Bombardier noch nicht ausgeliefert wurden, fuhr Abellio zu Beginn unter anderem mit Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn AG. Das DB-Logo wurde dafür kurzfristig mit dem Abellio-Logo überklebt.

Bereits erste Abellio-Einigung in Sachsen-Anhalt und Thüringen

Abellio betreibt auch in anderen Bundesländern Strecken. In Mitteldeutschland sind sich die Verkehrsministerien und Abellio bereits seit 10. September einig. Dort betreibt Abellio zwei Strecken. Eine davon wird sie nur noch bis zum Dezember 2023 betreiben. In der Zwischenzeit wird diese neu ausgeschrieben und vergeben. Die zweite Strecke soll Abellio bis zum Ende der regulären Vertragslaufzeit im Dezember 2030 weiter betreiben.

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