Menschen als Indianer verkleidet (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Friso Gentsch)

Kritik von Indigenen

Verkleidung als Indianer - ist so ein Kostüm okay?

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Magdalena Haupt
Magdalena Haupt (Foto: SWR, Foto: Tim Benscheid)
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Fabian Ziehe
Fabian Ziehe (Foto: SWR, SWR / Foto: Patricia Neligan)

Indigene Gäste in Stuttgart irritiert es, wenn sich Kinder und Erwachsene an Fastnacht als Indianer verkleiden. Für sie steckt zu viel Klischee und zu wenig Respekt dahinter.

Fastnachtsverkleidungen als Indianerin oder Indianer sind umstritten - auf Kindergartenfluren wie auf Social Media. Während hierzulande manche Kinder und Erwachsene gerne in Fransenhemden schlüpfen und sich mit Federn schmücken, lehnen amerikanische Ureinwohner das ab. Das haben Indigene gegenüber dem SWR bestätigt, die in Stuttgart beim Nordamerika-Filmfestival Anfang Februar zu Gast waren.

Diskussion über kulturelle Aneignung

Den Vorwurf der kulturellen Aneignung gibt es seit mehreren Jahren. Diskutiert wird, ob Indianer-Verkleidungen Stereotype und rassistische Klischees bedienen. Dennoch sind Winnetou, Yakari oder Pocahontas als Verkleidungen an Fastnacht immer noch beliebt.

Einen Höhepunkt erreichte die Diskussion vergangenen Sommer, als der Film "Der junge Häuptling Winnetou" in den Kinos lief und der Verlag Ravensburger nach Rassismus-Vorwürfen die Bücher zum Film aus dem Sortiment nahm.

Mika Ullritz als Winnetou in einer Szene des Films "Der junge Häuptling Winnetou" (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Leonine | -)
Mika Ullritz als Winnetou in einer Szene des Films "Der junge Häuptling Winnetou"

Federschmuck nur zu bestimmten Zeremonien

Die vom SWR befragten indigenen Gäste beim Nordamerika-Filmfestival betrachten Indianer-Kostüme als kulturelle Aneignung. Gemeint ist damit, dass Elemente einer Kultur aus dem Zusammenhang gerissen und in einen anderen Kontext gesetzt werden. Wer an Fastnacht einen Federschmuck trägt, erwecke den Eindruck, es gebe so etwas wie eine einheitliche "Indianerkultur".

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Fragen an einen katholischen Pfarrer Muss Fasching politisch korrekt sein?

Welche Kostüme sind an Fasching okay? Viele Menschen verkleiden sich gern als Indianer. Gleichzeitig läuft eine Debatte, wie politisch korrekt Fasching sein sollte.

Tatsächlich aber hat jede indigene Gruppe ihre eigenen Rituale und Überlieferungen. Es gibt eben nur manche, die einen Federschmuck tragen oder getragen haben - und das nicht als Alltagsbekleidung, sondern zu bestimmten Zwecken und Zeremonien. Zudem seien indigene Menschen über Jahrhunderte hinweg unterdrückt und daran gehindert worden, ihre Kultur auszuleben, so der Hinweis der indigenen Menschen.

Was halten Stuttgarterinnen und Stuttgarter von Indianer-Kostümen? Wir haben uns in der Stuttgarter Innenstadt umgehört:

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Kulturelle Gewänder nicht für Karneval gedacht

Regisseurin Jules Koostachin kommt aus Vancouver in Kanada und ist Mitglied der Attawapiskat First Nation. Sie empfindet es als respektlos, wenn Menschen, die sich damit nicht auskennen, sich als Indigene kostümieren. Die Gewänder, die sie tragen, sind denen nachempfunden, die von Indigenen für heilige Zeremonien getragen werden.

"Ich weiß nicht viel über den deutschen Karneval, aber ich möchte sagen, dass unsere Insignien oder Gewänder nicht als Kostüme gedacht sind."

Indigene zu Indianer-Verkleidung (Foto: SWR)
James Lujan ist Filmemacher und Pädagoge aus Santa Fe in New Mexico.

Verkleidung aus Bewunderung und Begeisterung

Viele Menschen, die sich als Indianer verkleiden, tun das aus Begeisterung. Sie idealisieren das Indianertum aus Bewunderung für die Helden aus Wildwestbüchern und Filmen. Filmemacher James Lujan sieht das kritisch, weil es die tatsächliche Historie der Native Americans nicht widerspiegele.

"Ich frage mich, ob die Deutschen, die sich als Indianer verkleiden, die Generationen des Leidens, die große Not und die kulturelle Entwicklung und den Niedergang verstehen können?"

James Lujan lebt und arbeitet in Santa Fe, New Mexico. Er begründete den Studiengang "Cinematic Arts and Technology" am Institute of American Indian Arts. Vorher arbeitete er bei einer Initiative, die Indigene in der Filmindustrie unterstützt. Lujan gehört zum Volk der Taos Pueblo.

Indigene zu Indianer-Verkleidung (Foto: SWR, Nordamerika-Filmfestival)
Jessa Calderon aus Kalifornien ist Mitglied der Tongva und Chumash.

Imitation Jahrtausende alter Traditionen

Auch Schriftstellerin und Sängerin Jessa Calderon lehnt Indianer-Verkleidungen ab. Sie ist Mitglied der Tongva und Chumash aus Südkalifornien und verweist auf die Jahrtausende alten Traditionen. Indigene Menschen auf der ganzen Welt müssten ermutigt werden, ihre Kultur zu leben. Dazu gehöre nicht, dass andere Menschen sie imitierten.

 "Alles, was wir tragen, ob in unseren Gesichtern, unserem Haar oder auf unseren Körpern, hat eine Bedeutung."

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